Geologie Stuttgart 21 S21

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Notizen einer Erörterung - Stuttgart 21

Notizen einer Erörterung - oder: Wie man Bürger eine Möhre hinhält!

Erschienen am 14.12.2013

Notizen einer Erörterung -oder: Wie man dem Bürger eine Möhre hinhält!


von Ralf Laternser (Diplom-Geologe; Einwender und Erörterungsteilnehmer, Stuttgarter)

 

Was ist eigentlich eine Erörterung?


Theorie eines Planfeststellungsverfahren – §§ 72-78 VwVfG (Verwaltungsverfahrensgesetz )

Auszug:

(6) Nach Ablauf der Einwendungsfrist hat die Anhörungsbehörde die rechtzeitig gegen den Plan erhobenen Einwendungen, die rechtzeitig abgegebenen Stellungnahmen von Vereinigungen nach Absatz 4 Satz 5 sowie die Stellungnahmen der Behörden zu dem Plan mit dem Träger des Vorhabens, den Behörden, den Betroffenen sowie denjenigen, die Einwendungen erhoben oder Stellungnahmen abgegeben haben, zu erörtern. Der Erörterungstermin ist mindestens eine Woche vorher ortsüblich bekannt zu machen. Die Behörden, der Träger des Vorhabens und diejenigen, die Einwendungen erhoben oder Stellungnahmen abgegeben haben, sind von dem Erörterungstermin zu benachrichtigen. Sind außer der Benachrichtigung der Behörden und des Trägers des Vorhabens mehr als 50 Benachrichtigungen vorzunehmen, so können diese Benachrichtigungen durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. Die öffentliche Bekanntmachung wird dadurch bewirkt, dass abweichend von Satz 2 der Erörterungstermin im amtlichen Veröffentlichungsblatt der Anhörungsbehörde und außerdem in örtlichen Tageszeitungen bekannt gemacht wird, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich das Vorhaben voraussichtlich auswirken wird; maßgebend für die Frist nach Satz 2 ist die Bekanntgabe im amtlichen Veröffentlichungsblatt. Im Übrigen gelten für die Erörterung die Vorschriften über die mündliche Verhandlung im förmlichen Verwaltungsverfahren (§ 67 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Nr. 1 und 4 und Abs. 3, § 68) entsprechend. Die Anhörungsbehörde schließt die Erörterung innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Einwendungsfrist ab.

(7) Abweichend von den Vorschriften des Absatzes 6 Satz 2 bis 5 kann der Erörterungstermin bereits in der Bekanntmachung nach Absatz 5 Satz 2 bestimmt werden.

(9) Die Anhörungsbehörde gibt zum Ergebnis des Anhörungsverfahrens eine Stellungnahme ab und leitet diese der Planfeststellungsbehörde innerhalb eines Monats nach Abschluss der Erörterung mit dem Plan, den Stellungnahmen der Behörden und der Vereinigungen nach Absatz 4 Satz 5 sowie den nicht erledigten Einwendungen zu.


Die Praxis eines eines Planänderungsverfahren aus eigener Erfahrung im Zusammenhang mit Stuttgart 21: (Erfahrungen aus mittlerweile 4 Erörterungsverhandlungen zu Stuttgart 21 aufgrund einer Vielzahl von Planänderungen, da die ursprünglichen Planung in Zwischenzeit insgesamt 28 mal geändert werden mussten):

 

Meine persönlichen Notizen zur

7. Planänderung (PFA 1.1)

6. Planänderung (PFA 1.5)

2. Planänderung (PFA 1.6a)

(3. Planänderung (PFA 1.2)

 

Also wurden  in Wirklichkeit insgesamt 4 Planänderungen vereinfachend in lediglich einem offiziellen Verfahren konzentriert. Betroffen die Stadtbezirke Stuttgart-Mitte, Stuttgart-Ost, Stuttgart-Nord, Wangen, Feuerbach, Bad Cannstatt, das Mineralwassersystem ....

 

Hier die Stellungnahme des BUND an der ich mitgewirkt habe:  LINK

 

Notizen:

 

September 2012

 

1. Ankündigung einer Planänderung

 

Ich erfahre über Freunde von der Planauslage zurgeplanten Planänderung Grundwassermangement!

Die Ankündigung einer Planänderung findet man normalerweise z.B. im Amtsblatt oder manchmal auch in der Presse. Der Termin ist meist überraschend und ohne langfristige Vorankündigung!

Wichtig: Nur Planänderungen (PÄ) die das Eisenbahnbundesamt als im „öffentlichen Interesse“ sieht werden öffentlich angekündigt. Glück für die betroffenen Bürger, den bei vielen Planänderungen werden nur die Träger öffentlicher Belange (TöB; Behörden, Umweltschutzverbände) informiert bzw. beteiligt. Sehr viele Planänderungen finden aber auch ohne Beteiligung der Umweltverbände, also völlig im Geheimen statt, sodass man oft gar nicht weiß was im Hintergrund noch so alles umgeplant wird . Beispiel hierfür ist die die 5. Planänderung Planfeststellungsabschnitt 1.1 (Tiefbahnhof) Stuttgart 21 zur Zentralisierung des Grundwasser-Managements. Trotz dem geplanten Roden von Teilen des zentralen Stuttgarter Schlossgartenparks mit seltenen Tierarten und herrlichen Parkbaumriesen sah das Eisenbahnbundesamt (EBA) eine Beteiligung der Umweltschutzverbände als nicht nötig an. Diese geheime Planänderung diente der Bahn AG als Rechtfertigung zur Absperrung und Rodung von Teilen des Mittleren Schlossgarten-Parks mit dem brutalen Wasserwerfer-Einsatz gegen protestierende Bürger. Die Planänderung wurde aufgrund des gesetzwidrigen Ausschlusses der Naturschutzverbände nachträglich vom VGH Mannheim als illegal eingestuft.

Vor allem der Vorhabensträger (VHT) - aber auch die Planungsbehörden sind also in der Regel eher darum bemüht störende und zeitraubende Beteiligungen von Naturschutzverbänden und Bürgern zu vermeiden.

 

Ende September 2012

1. Die Planauslegung:

Für 4 Wochen in kommunalen und regionalen Behörden werden ab jetzt die Planänderungsunterlagen ausgelegt. Oft nur in Papierform.

Bei Stuttgart 21 mindestens mehrere hundert Seiten allgemeine und zusammenfassende Dokumente. Bei den jüngsten Auslegung fand wohl aufgrund des öffentlichen Interesses und Aufsehens ein Umdenken statt und die grundlegenden Dokumente wurden vom Regierungspräsidium digital auf seiner Webseite zur Verfügung gestellt. Gutachten oder spezielle Untersuchungen/Berichte sind jedoch nicht erhalten und müssen über Anfragen oder Einsichtforderungen nach den Umweltinformationsgesetz oft aufwendig eingefordert werden. Meist werden dann Dokumente nicht digital zur Verfügung gestellt sondern müssen unter Zeitdruck aufwendig abfotografiert werden.

 

Meine Erfahrungen Stuttgart bei Stuttgart 21:

Öffentliche Behörden: freundlich, teilweise etwas langsam; VHT: freundlich – aber abweisend/verhindernd.

 

Aber jetzt heißt´s ranklotzen und auswerten - meist bis spät in die Nacht – so nebenbei der täglichen Verpflichtungen.

Denn nach spätestens 4 Wochen Einreichung der Einwendungen gegen Planänderung per Post oder persönlich an kommunale und regionale Planungsbehörden. Welch bürgerfreundliche Eile!  Einwendungen möglich von betroffenen Bürgern, Firmen, sowie kommunale Behörden und Umweltverbänden.

Regionale Planungsbehörde bei Stuttgart 21 ist das RP (= Regierungspräsidium). RP und VHT (Vorhabensträgerin) sichten (angeblich) alle Einwendungen und werten Sie aus. Bei masseneinwendungen gibt es keine persönliche Rückmeldung an die Bürger.

Bei Stuttgart 21 ist mir aus internen Sitzungsprotokollen des EBA bekannt, das vor der Planauslegung zur massiven Erhöhung der geplanten Grundwasserentnahme intensivste Absprachen zwischen EBA, VHT und Behörden zur, im gemeinsamen Ermessen sicheren Genehmigungsfähigkeit der Anträge schon vor der Planauslegung erfolgten. Zur Halbzeit von Planauslegungen wurden Abstimmungstreffen zwischen Behörden, EBA und VHT geplant. Pikanterweise hatte sich die fachlich wohl entscheidende städtische Fachbehörde über die eigentliche Einspruchsfrist eine Verlängerung erbeten, da sie die Unterlagen offiziell noch nicht ganz durcharbeiten konnte. Inoffiziell kannten Sie die Dokumente schon vorher bis fast ins letzte Detail. Die Stellungsnahme der Fachbehörde lag dann zum ersten Erörterungstermin im Juli 2013 (siehe unten) noch nicht vor. Bei diesem 1. Erörterungstermin war auch kein Vertreter öffentlicher Behörden vor Ort (um z.B. Fragen von Einwender (Bürger) zu beantworten oder fachlich zu begleiten.

Die Genehmigungsbehörde ist nach dem Gesetz angehalten de Erörterungstermin innerhalb von 3 Monaten stattfinden lassen – unabhängig vom Umfang der Einwendungen oder des Bauprojektes. Bei der 1. Erörterung zur massiven Erhöhung der ab zu pumpenden Grundwassermenge für Stuttgart 21 wurde diese Vorschrift als Grund für die raschen Erörterungstermin, trotz einer enormen Menge (> 10.000) von Einwendungen und einem komplexen Thema, das ich über 6 Stadtbezirke erstreckt, genannt. Viel Einwender sahen die Anhörungsbehörde RP nämlich schlecht vorbereitet und kritisierten den in diesem Zusammenhang verfrühten Erörterungstermin und fehlende Stellungsnahmen von Behörden.Die Verhandlungsleitung sah dies als keinen Mangel der Veranstaltung an und wies eine große zahl von Anträgen diesbezüglich ab. Nach Presseinformationen hatte die VHT das RP jedoch juristisch zur Eile gedrängt. Die Angst vor dem VHT war wohl sehr mächtig!

Übrigens:

Doch das Gesetz gilt nur manchmal. So lässt der Erörterungstermin für einen weiteren, den letztendlich noch nicht genehmigten Planfestellungsabschnitt 1.6a, seit 3 Jahren und 3 Monaten auf sich warten!

 

Juli 2013

 

2. Erörterung

 

Erörterung im Apollo-Theater Möhringen - Teil I

 

Teilnahme als ehrenamtlicher Sachverständiger des BUND

Ankündigung 2 Wochen vorher. Diese knappe Vorankündigung macht es für mich nötig eigentlich alle geschäftlichen und privaten Termine kurzfristig abzusagen. Das ist immer sehr problematisch und sorgt sowohl geschäftlich als auch privat für viel Aufwand und Ärger. Verdienstverlust im 3-bis vierstelligen Bereich. Alle zusätzlichen Kosten für die Erörterung (und die Vorbereitung) müssen von mir privat übernommen werden. Im Vorfeld langwierige und stressige Erstellung einer Fach-Einwendung nebenbei zu den normalen Verpflichtungen.

Erster Erörterungstermin wurde nach 2 Tagen wegen der offenkundigen Befangenheit des Verhandlungsleiters des Regierungspräsidium abgebrochen.

Fast alle meine abgesagten geschäftlichen Termine bleiben „trotzdem“ verloren.

 

Anfang August (also in den Sommerferien)

Erste Hinweis im Urlaub auf eine neue Erörterung im September.

 

Mitte August

Gewissheit über Termin am ersten Schultag. Rücksichtlose Gemeinheit für einen Familienvater und Lehrerinnen-Ehemann. Ungünstiger geht’s nicht: Zwei noch kleinere schulpflichtige Kinder, Frau ist Lehrerin und selber 2 schulische Angebot Montags. Bitte um Freistellung per Mail abgeschickt. Am 6.9. 2013 1 1 x akzeptiert und 1 x abgelehnt. Muss irgendwie gehen!


9.-12.September 2013

Erörterung auf der Messe - Teil II

 

Muss diesmal eigentlich jede Minute anwesend sein um auf aktuelle geologische Fragestellungen mit BUND-Team reagieren zu können – und um meinen wichtigen Fachvortrag bei sich ergebender Möglichkeit sicher vortragen zu können. Sonst wäre aller Einsatz umsonst. Ein geschäftlicher Termin am Mittwoch muss außerdem möglich gemacht werden. Erörterung zum Thema Grundwasser zeiht sich erwartet, da äußerst komplexes und kontroverses Thema mit vielen Gesichtspunkten, vielen geplanten an verschiedensten Orten über 5 Innenstadtbezirke. Viele tausend Seiten Berichte, Gutachten, Tabellen, Diagramme, Änderungen – aber dennoch fehlenden Daten. Die meisten Dokumente mussten zuvor über aufwendige persönliche Einsichtnahmen vor Ort in monatelanger mühevoller beschafft werden.

Anwesend: 100- 300 ständig wechselnde Einwender, Bahn-Fachleute und Projektleiter mit obligatorischen Rechtsbeistand, Verhandlungsführer RP, Vertreter der Wasser – und Geologie-Behörden, Bürger – und stummer Vertreter des Eisenbahnbundesamt in den Bürger-Reihen. Vertreter der Behörden wohl unter politischen Druck durch Umweltministerium zur Teilnahme angewiesen. Behörden äußerten sich hierbei übrigens nie von allein, sondern meist nur knapp und allgemein auf konkrete nachfragen. Einer erledigt nebenbei ständig Bürokram. Stuttgart 21 bindet einfach viel Arbeitszeit.

Mir ist besonders in Erinnerung das geologische Landesbehörde sich selbst attestiert, das sie gar keinen ingenieurgeologischen Sachverstand besitzt (obwohl sie ein gleichnamige Abteilung hat) und das Vertreter der städtischen Wasserbehörde erheblichen Mineralwasser- Zufluss aus Neckartal erstmals mit wohl eher grob geschätzten 70 Litern einräumt und dies als in der Planung berücksichtigt darstellt. In den gesamten Planungsunterlagen jedoch ist keinerlei Verweis oder Literaturzitat diesbezüglich enthalten und in der Öffentlichkeit und Fachgremien wird weiter das alte Mineralwasser-Modell propagiert. Grundtenor der Behörden: „Wir haben die Unterlagen nur auf ihre sachliche Richtigkeit geprüft“. Also keine Gutachten! Aus Unterlagen die sich der BUND zugänglich gemacht hat wissen wir aber, das es zwischen RP, EBA, VHT und Behörden vor der Planauslegung über Jahre intensivste Abstimmungsgespräche zur sicheren Plangenehmigung gab und die Bahn eine öffentliche Anhörung unbedingt Verhindern wollte um Zeit zu sparen – letztendlich das Prozessrisiko dann aber wie bei der 5. Planänderung doch zu groß war.

Nach 5 langen Tagen ist das Thema Grundwasser immer noch nicht beendet. Viel wichtige Teilbereiche wie Mineralwasserschutz, „neue“ Mineralwasserströme, Untertunnelung des Neckars wurden nur mit wenigen Sätzen angerissen. Meinen fachlich und argumentativ wichtigen Vortrag konnte ich noch nicht halten. Schwierig ist die sehr heterogene Zusammensetzung der Einwenderschaft, was zu rasch ändernden Themenschwerpunkten führt, auf die man dann als Fachmann meist nicht die Möglichkeit hat spontan zu ergänzen oder zu vertiefen. Außerdem durfte Professor Wittke wegen Terminschwierigkeiten überraschend das Thema Tunnelbau und Hangstabilität entgegen der ursprünglichen Tagesordnung vorziehen. An diesem Morgen war ich aus beruflichen Gründen nicht da, was Angesichts der ursprünglich geplanten Grundwasserthematik eigentlich inhaltlich für mich normalerweise ohne Folgen möglich war. Die Themen Grundwasser und Geotechnik waren bis zum Freitag immer noch nicht offiziell beendet, da noch viele Anwender Gehör forderten und die Erörterung des extrem komplexen Themas mit nun fast insgesamt 15 Jahren Planungszeit eigentlich noch voll im Gange war. Fast alle anwesenden Einwender fordern eine Fortsetzung der Erörterung zum Abschluss des Themas Grundwasser und der Behandlung der verbleibenden Tagesordnungspunkte. Als Fachmann für Geologie des BUND hatte ich meine Vortrag noch nicht gehalten und auch eine Vielzahl von Äußerungen der Bahn die bei der Erörterung auftauchten auf die ich noch antworten konnte nicht erwidert!

Die erschöpfte Verhandlungsleitung versicherte uns vor dem Ende des 2.Termins den allgemeine Forderung der Einwenderschaft nach einer Fortsetzung wohlwollend zu prüfen.

 

12.12.2013

Erörterung auf der Messe - Teil III

Am 23. November erfahre ich vom neuen Termin. 12.12 – nur ein Tag. Mir ist gleich klar, das jetzt alle durchgepeitscht werden soll - nicht noch mehr kritische Einwendungen bitte!  Nur ein Tag ist logistisch für mich wenigstens vergleichsweise entspannt. Nur eine geschäftliche Absage – das ist vergleichsweise günstig. Vorher muss noch schnell die nichtöffentliche Einwendung zur 14 .Planänderung alleine für die Verkleinerung „Schräghaltestelle“ (PFA 1.1), nämlich die Änderung des geologisch äußerst risikobehafteten Nesenbachdükers gemacht werden. Das diese erneute Änderung eine erheblichen Eingriff in die Grundwasserplanung darstellen würde mit resultierend völlig veränderten Strömungsbedingungen im Untergrund die bei der Planänderung zur Grundwasserentnahme gar nicht berücksichtigt ist nur nebenbei. Aber das ignorieren die VHT und die Behörden beharrlich. Ist halt Stuttgart 21!

Im Vorfeld wird das RP von den Umweltverbänden LNV, BUND, dem Bürger- Netzwerken und vielen Privatleuten mit der Forderung quasi „bombardiert“ das nicht abgeschlossene Grundwasserthema weiter zu behandeln. Das Mail-Postfach diesbezüglich läuft fast über. Den die zwischenzeitlich bekannte Tagesordnung für den 12.12.umfasst lediglich die Punkte Lärm, Erschütterung und verkehrlich Belange. Die Taktik des RP ist also klar: Das Thema Grundwasser soll nun unter den Tisch fallen. Auch der Tagesordnungspunkt „Sonstiges“ der im September noch auf der Agenda stand soll entfallen. Es könnten Einwender diesen ja zum Beispiel nutzen um das Thema Mineralwasserschutz noch einmal in der Tagesordnung einzubringen. Angeblich gab es soooo viele Anfragen zu den angesetzen Tagesordnungspunkten. Doch bei Ihrem Aufruf meldet sich erst niemand. Anschließende gelingt doch noch eine vergleichsweise knappe Diskussion., vielleicht auch deshalb, weil die Bahn gar keine entsprechenden Fachleute vor Ort halt. Es spricht nur der sehr kontrollierte Jurist!

Ich selbst bin ich eigentlich ganz entspannt – aber natürlich auch gespannt. Wie wird die Verhandlungsleitung auf die ganzen Anfragen und Forderungen der Einwender reagieren. Außerdem steht meine Fachbeitrag ganz oben beim BUND.

Wie wir erwartet haben werden unsere Anträge zur Fortsetzung der Grundwasser- und Geoproblematik abgelehnt. Stattdessen dürfen wir uns erst mal belehren lassen, das es überhaupt ein Glück ist, das das RP freiwillig diese Erörterung gemacht hat obwohl es überhaupt keine Pflicht dazu gibt. Meine Dankbarkeit hält sich in Grenzen und mein henrichsmayer`scher Argwohn wächst wieder. Sieht klar nach einem abgekarteten Spiel aus. Deutlich erkennbar ist dies an der Zusammensetzung der sehr kleinen Bahnfraktion (in der Ferne neben dem RP) von 5 Leuten : 2 Projektleiter, 2 Grundwasserfachleute und natürlich der obligatorische Jurist. Also kein Fachmann für Lärm, Erschütterung oder verkehrliche Belange. Wer soll den eigentlich den Einwendern zu diesen Fachthemen kompetent antworten? Ist so was überhaupt zulässig frage ich mich? Ach so kommt es mir dann aber ja untertänig – ist ja eh alles eine gnädige Großzügigkeit des RP – die müssen ja eigentlich gar nichts anhören! Jetzt muss man nur noch vorgreifen, das im weiteren Verlauf (und oft nach kurzen Blickkontakten) fast nur noch der Bahn-Jurist antwortet, die eigentlich Bahnleute schweigen beharrlich und antworten nur nach oft mehrfacher direkter Aufforderung. Wohl eine einstudierte Choreographie! Der entscheidende Satz – und wohl Sinnbild für die gesamte Bahn-Taktik dieses 3.Erörterungstermin stammt dann zu einer Wasserfrage auch vom Bahn-Juristen. Zu diesem Thema nehmen wir nicht Stellung, denn es ist nicht Teil der Tagesordnung. Klarer kann man es wohl nicht serviert bekommen: Für die Bahn ist das alles nur eine juristisch motivierte Veranstaltung zur Durchsetzung ihrer Ziele, bei der die Fragen und Sorgen (und deren Beantwortung/Berücksichtigung) der Einwender keine Rolle spielen.

Das ist auch aus Protokollen des EBA zu entnehmen, bei der die ungeliebte Erörterungsvariante von der Bahn AG als die juristisch am sichersten eingestuft wurde.

Die Juristin des EBA sitzt übrigens im Publikum und schüttelt nach ihrer „Enttarnung“ auf alle Fragen beharrlich nur mit dem Kopf.

Komisch! Obwohl mir das schon länger alles klar war mache ich bei diesem Bürgerbeteiligung-Theater trotzdem immer wieder mit. Den Anderen geht es genau so – und unsere einzige Hoffnung sind die gerichtsverwertbaren Protokolle dieser verlogenen Gnaden-Veranstaltungen und vielleicht auch ein gewisses Umdenken beim RP. Abgemacht wird das Ergebnis aber sowieso woanders! Dies wird um so deutlicher, wenn man weiß, dass das passend gemachte Großprojekt-Verwaltungsrecht dem EBA trotz Erörterung und Empfehlung völlig frei Hand bei seiner Entscheidung lässt. Dann steht bei den unzähligen Planänderungen im Rahme von Stuttgart 21 wie immer von Juristen entschieden: „ Die Vorhabensträgerin konnte Einwendungen zu Thema XXX glaubhaft widerlegen“. Der weisungsbefugte Oberbeamte des EBA heißt momentan übrigens Peter Ramsauer.

Meine persönlichen Erfahrungen machen mir immer deutlicher, dass das ganze Planungsrecht extrem bürgerfeindlich ist. Eine reine Show-Veranstaltung die es den Bürgern gezielt extrem schwer macht. Und am Ende entscheidet nur das EBA nach Gutdünken. Auslage von Unterlagen, Einspruchsmöglichkeit und Erörterung werden nach aus öffentlichkeitswirksam als beispielhafte Einflussmöglichkeit für Bürger verkauft. Doch eigentlich ist es ein abgekartete Zumutung. Denn ist so ein „Großprojekt“ erst einmal genehmigt ist es nüchtern betrachtet unmöglich den VHT und Behörden in die „Parade zu fahren“. In Wirklichkeit stören die Bürger nur bei den obskuren Planungen und automatisierten Verwaltungsvorgängen die man gemeinsam in Hinterzimmern abspricht. Das effektive Verhindern von Großprojekten ist eigentlich nur im Vorfeld möglich. Doch bis man sich zwangsläufig organisiert, bzw. die Tragweite eines solchen Projektes überschaut und dabei auch nur ansatzweise die unermesslichen Aktenberge überblickt ist eine schnelle überfallartige politische Durchsetzung im politisch-wirtschaftlichen Freundeskreis nach der „Methode Heinz Dürr“ schon längst geschehen. Arbeitsplätze, Zukunftsprojekt, Verbesserung Infrastruktur – die immer gleichen Parolen genügen in der Regel und ein braver Beamtenapparat der Erwartungen und Weisungen erfüllt. Die bevorstehende schnelle Genehmigung aufgrund der gutachterlich überzeugend dargelegten technischen Machbarkeit und Sinnhaftigkeit und natürlich dem überragenden öffentlichem Nutzen ist dann meist nicht mehr weit. Hier die abschließende Meinung des EBA aus dem Jahre 2005:

Nur auf dieser Basis war es möglich, frühzeitig die durch die Planung hervorgerufenen wasserwirtschaftlichen Probleme bzw. Konflikte zu erkennen, zu diskutieren und sie letztendlich einer tragfähigen Lösung zuzuführen. Durch diese Vorgehensweise konnte die Vorhabensträgerin ihren Planungen ein mit den wasserwirtschaftlichen Fachbehörden weitgehend abgestimmtes wasserwirtschaftliches Konzept zugrunde legen, das die jeweiligen Fachbehörden dann im Zuge des Anhörungsverfahrens innerhalb der gesetzlichen Frist beurteilen konnten. Die Tätigkeit des Arbeitskreises Wasserwirtschaft hat damit zur Beschleunigung der Anhörungs- und damit letztendlich der Planfeststellungsverfahren des Projekts Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen - Ulm maßgeblich beigetragen. Das Eisenbahn-Bundesamt konnte nicht zuletzt auch auf der Grundlage der hervorragenden Tätigkeit des Arbeitskreises Wasserwirtschaft bisher zwei Planfeststellungsbeschlüsse für das Projekt Stuttgart 21, sowie zwei Planfeststellungsbeschlüsse für die Neubaustrecke Wendlingen - Ulm erlassen.

Ähnliches galt neben Stuttgart 21 wohl für den Berliner Flughafen, den Kasseler Flughafen, den Nürburgring und viele andere Zukunftsprojekte ohne die Verkehr heute schon offiziell zusammengebrochen wäre und Deutschland am wirtschaftlichen Abgrund stünde. Bei Stuttgart 21 übrigens heißt es heute nach 8 Jahren Umplanungen und 27 Planänderungen und einer minimal Verdreifachung der Milliardenkosten: „Damals waren wir noch nicht in der heutigen Detailtiefe, es war lediglich ein Planungsstand“.

Ich schließe meine Notizen  mit einem Auszug aus dem Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams:

Bewohner der Erde! Hier spricht Protestnik Vogon Jeltz vomgalaktischen Hyperraum-Planungsrat. Wie ihnen zweifellos bekannt sein wird, sehen die Pläne zur Entwicklung der Außenregion der Galaxis den Bau einer Hyperraum-Expressroute durch Ihr Sternensystem vor. Und Ihr Planet ist einer von denen, die gesprengt werden müssen. Es gibt keinen Grund, dermaßen überrascht zu tun. Alle Planungsentwürfe und Zerstörungsanweisungen haben 50 ihrer Erdenjahre in ihrem zuständigen Planungsamt auf Alpha Centauri ausgelegen. Wenn Sie sich nicht um ihre ureigensten Angelegenheiten kümmern, ist das wirklich ihr Problem.“

 

Nachtrag 1:

Beim 3.Teil der Erörterung vor 2 Tagen zur theoretische unbegrenzten Erhöhung der Grundwasser-Entnahmemenge war kein Vertreter öffentlicher Fachbehörden anwesend. Die Tagesordnungspunkte fernab vom Hauptthema Grundwasser waren also sehr  günstig und behördenfreundlich gewählt. Vielleicht findet man ja später die Protokolle der üblichen Absprachen von EBA, VHT und Behörden im Vorfeld von Erörterungen. Oder auch nicht, was bei Stuttgart 21 durchaus nicht verwundern würde!

Andere bekannte Vertreter öffentlicher Belange aus Rathäusern, Parlamenten oder Parteien habe ich nie bemerkt. Was sollen die auch bei einer Erörterung, die wissen wohl wie der Hase läuft!

 

Nachtrag 2:

"Großprojekte sollen schneller genehmigt werden". Artikel aus der FAZ [LINK]

 

Nachtrag 3:

Es geht auch anders: 3 Wochen Erörterungstermin für das geplante Kohlekraftwerk Lubmin in Meck-Pomm [LINK]

 

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Dr. Ralf Laternser - Diplom-Geologe - Stuttgart