Geologie Stuttgart 21 S21

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Grundwasser im Focus

Immer mehr Probleme bei Stuttgart 21

Erschienen am 17.07.2012

Warum ist Grundwasser so schützenswert?


Am Beginn des für Menschen lebenswichtigen und nutzbaren Wassers des globalen Wasserkreislaufes steht das Grundwasser - und die Quellen die es speist. Reines Wasser in ausreichender Menge ist die Grundlage des Lebens - für Natur, Mensch und Wirtschaft. Mit ca. 98,5 Prozent stellt das Grundwasser das für Menschen weltweit mit Abstand größte Reservoir an nutzbarem (flüssigen) Süßwasser dar. Deshalb muss es eines der zentralen Bemühungen der Menschheit/Staatengemeinschaft sein, das Grundwasser schon von Anfang an und bis zu seinem Austritt an Quellen und Brunnen vor Verunreinigung und Übernutzung zu schützen um langfristig über eine sichere und reine Lebensgrundlage zu verfügen.Die weltweiten Grundwasservorkommen sind bedroht durch Übernutzung und durch Verschmutzung mit Schadstoffen und Radioaktivität. Dies steht im immer im direkten Zusammenhang mit zunehmender Bevölkerungsdichte und dem damit verbundenen erhöhten Bedarf an Wasser für Landwirtschaft,industrielle Produktion, menschlichen Bedarf und damit steigender Umweltbelastung. Mit zunehmendem Wohlstand und Industrialisierung wächst der Wasserverbrauch überproportional. In Indien zum Beispiel liegt der Wasserverbrauch heute pro Kopf bei 25 l, in Deutschland bei 122 l und in den USA bei295 l. Auf die Dauer ist vor allem eine Grundwassernutzung, welche die Neubildungsrate durch Niederschläge übersteigt sehr problematisch.Hygienische und wirtschaftliche Probleme - aber auch soziale Konflikte sind hier absehbar.
Jedoch auch für wasserreiche Länder mit großen Grundwasservorkommen oder mit ausreichend Niederschlägen ist der Schutz des Grundwasser unablässig. Eine große Bevölkerungsdichte, eine hohe Industrialisierung bedingen oft eine intensive Nutzung der Grundwasservorkommen mit der Gefahr von dauerhafter Verschmutzung -aber auch örtlicher Übernutzung. Die Hohe Versiegelung des Boden schränkt die Grundwasserneubildung örtlich stark ein und sorgt neben einer geringeren Grundwassermenge zu vermehrtem Oberflächenabfluss mit im langjährigen Mittel vermehrten, häufig auch auch katastrophalen Hochwasserereignissen.
Besonders schützenswert, da besonders rein von Schadstoffen und eine zusätzliche Resource sind fossile Grundwässer oder Mineralwässer. Diese Wässer sind oft frei von anthropogenen Belastungen und stellen somit eine besonders wertvolle und schützenswerte Resource dar. Beispiele hierfür sind das fossile Grundwasser des Nubischen Sandsteins unter der Sahara oder auch die größten Mineralwasservorkommen von Europa in Budapest und Stuttgart. Hier gilt es das Mineralwasser konsequent vor Übernutzung oder Verunreinigungen zu schützen um es für zukünftige Generationen zu schützen.
Ralf Laternser



Hier ein Auszug verschiedener Artikel zum Thema Grundwasserschutz aus den letzten Tagen

Atommüll-Lager Asse:

Strahlenexperte warnt vor "Mission Impossible" in der Asse; Spiegel, 22.9.2012 [Link]

"Das Bergwerk drohe einzustürzen und mit Wasser vollzulaufen. Die Wassermenge, die in die Asse gelange, könne "plötzlich rasant ansteigen". Derzeit werde das Wasser in der Asse aufgefangen, an die Oberfläche gebracht und entsorgt. "Bei deutlich größeren Mengen wäre das nicht mehr durchführbar", warnte Sailer. Es bestehe dann die Gefahr, dass Radioaktivität unkontrolliert ins Grundwasser gelange. Pro Tag dringen rund 12.000 Liter Wasser in die Asse ein.

Stuttgart 21

Bahn legt geänderte Unterlagen aus [Stuttgarter Nachrichten vom 7.9.2012; Link]

S21: Setzungen bei Häusern bis zu zwei Zentimeter [Stuttgarter Nachrichten vom 8.9.2012; Link]


"Die Deutsche Bahn muss ihre Anlagen für die Behandlung von Grundwasser beim Projekt Stuttgart 21 erheblich ausbauen. Die dadurch entstehenden Kosten werden vom Unternehmen nicht genannt."
"Durch die erhöhte Grundwasserentnahme seien keine schädigenden Setzungen an Häusern oder gar Hangrutschungen im Bereich Kernerviertel/Ameisenberg zu befürchten, schreiben mehrerer Gutachter im Auftrag der Bahn."


Grundwasser: Bahn informiert live im Internet [Stuttgarter Zeitung vom 14.9.2012; Link]


"Die Bahn will dabei nach eigenem Bekunden zentrale Bürgeranliegen beantworten und über das formelle Anhörungsverfahren hinaus informieren, so der Stuttgart-21-Sprecher Wolfgang Dietrich. Auf diese Weise hätten alle Bürger die Möglichkeit, so Dietrich, sich über die Punkte zu informieren, an denen sie interessiert sind. Geplant ist, dass dazu Experten und Gutachter der Bahn über die Fragen der Geotechnik, den Umgang mit dem Mineralwasser, die Auswirkungen auf die Vegetation sowie das Planänderungsverfahren selbst und die geplanten Baumaßnahmen Anfang nächsten Jahres berichten."


Geschlossene Informationsveranstaltung der Bahn in der Geheimkammer[Teil 1: Youtube] [Teil 2: Youtube]


Grundwassermanagement birgt keine Gefahr für Häuser und Bäume [Stuttgarter Nachrichten vom 17.9.2012; Link]


"Über Jahre hatte ein von Behörden gebildeter Arbeitskreis Wasserwirtschaft zu Stuttgart 21 ein Grundwassermodell gefertigt. Nach 250 Sitzungen standen die drei Millionen Kubikmeter fest. 2009 wurden durch Brunnenbohrungen und 2010 durch einen Pumpversuch Schwächen des Modells offenbar, die Bahn musste erhöhen." Bahn plant bei S 21 verbotene Bohrungen [Stuttgarter Nachrichten vom 19.9.2012; Link]
In ihrer Stellungnahme an die Genehmigungsbehörde, das Eisenbahn-Bundesamt (Eba) fordert die Stadt alternative Gründungsmaßnahmen am betroffenen Bahnhofsteil und der Stadtbahn, falls sich ihr Verdacht bestätigen sollte. Verbesserte Gründungen sind vor allem über dem besehenden S-Bahn-Tunnel, bei der LBBW, und unter allen Stützen des Bahnhofshallendachs sowie für den Nesenbach-Abwasserkanal im Schlossgarten nötig. Dessen Durchmesser erreiche laut Tiefbauamtsleiter Wolfgang Schanz mit vier Metern „die Abmessungen eines Stadtbahntunnels". Weil unter dem Kanal Torf- und Wanderschutt liegt, sollen ihn Bohrpfähle stützen, aber auch gegen Auftrieb sichern.


Debatte über 300 Rammpfähle [Stuttgarter Zeitung vom 18.9.2012; Link]


"Das bedeutet 250 bis 300 zusätz­liche Pfähle zu den bereits genehmigten rund 3500. Dies sei aber „marginal". Teilweise ändere sich auch die Anordnung der Pfähle. Bestandteil des Verfahrens sind außerdem Änderungen bei der Verlegung des Abwasserkanals West sowie eines Medien- und Fernheizkanals am Kurt-Georg-Kiesinger-Platz."


Bahn lenkt bei Mineralwasserschutz ein [Stuttgarter Nachrichten vom 22.9.2012; Link]


"Im Talkessel finden sich laut einem ­Bericht der Bahn „nur gering tragfähige bindige Talablagerungen, durchsetzt mit organischen Bestandteilen und torfigen Einlagerungen". Am Südkopf des Bahnhofs, zur Willy-Brand-Straße hin, ergäben sich teils „sehr große Setzungen". Unter der neuen Stadtbahn-Haltestelle Staatsgalerie, die beim Planetarium nach oben und näher an den Schlossgarten rücken wird, kommt eine einfache Beton-Bodenplatte nicht infrage. Sie würde „zu unverträglich großen Setzungen von fünf bis zwölf Zentimetern führen". In allen Fällen plant die Bahn bei ihrer jüngsten Änderung zur Stabilisierung der Bauwerke mit 300 zusätzlichen Beton-Bohrpfählen. Sie könnten aber zum Beispiel unter der Stadtbahn-Haltestelle bis zu sechs, beim Bahnhof im Schlossgarten bis zu einen Meter tief in die Grundgipsschichten ragen. Diese Dichtschicht verhindert ein Aufsteigen des Mineralwassers. Sie anzubohren hat die Genehmigungsbehörde Eisenbahn-Bundesamt (Eba) untersagt. Die Stadt pocht auf den Erhalt des Verbots, .....


Baden-Württemberg


Landratsamt gibt grünes Licht für Geschädigte [Stuttgarter Nachrichten vom 21.9.2012; Link]


"Vor gut einem Jahr waren nach einer Erdwärmebohrung in Leonberg rund 25 Häuser beschädigt worden. Grundwasser war von einer oberen in eine weiter unten gelegene Schicht gelaufen und hatte so zu Setzungen in der Umgebung geführt. Die Folge: teils mehrere Zentimeter breite Risse in den Fassaden und Innenwänden der Gebäude."

Wassertage Bad Cannstatt

Samstag, 22. September 14 Uhr, Treffpunkt im Esslinger Merkelpark
Auf den Spuren verborgener Mineralwasserströme - Fahrraddemo von Esslingen nach Stuttgart.Veranstaltet mit der Gruppe "Esslingen gegen S21" und der Naturfreunde-Radgruppe Stuttgart.
Manuskript zur geologischen Situation im Bezug auf das stuttgarter Mineralwasser von Dr. (geol.) Ralf Laternser

Was gibt es geologisch zu geplanten Neckarunterquerung zwischen Unterürkheim - und Wangen zu bemerken:

Zwischen PFA 1.1 Tiefbahnhof bis Wartungsbahnhof Untertürkheim ist eine Gesamttunnellänge von 5,6 km bzw. 5,3 km in Form geplant . Die zweiröhrigen Tunnel sollen sich unter dem Neckar beim Inselbad überkreuzen um dann in Richtung Cannstatt zum lauten und Flächen verbrauchenden Abstellbahnhof bzw. nach Esslingen weiterzuführen.
Die Tunnel werden teilweise in offener bzw, in geschlossener Bauweise hergestellt. Derzeit ist noch nicht entschieden, ob Tunnelbohrmaschinen zum Einsatz kommen, oder ob der Ausbruch mit Sprengungen und Baggern im klassischen Stil erfolgt. Das ist bei S 21 Standard. Nichts ist richtig geplant und somit in seinen Auswirkungen bewertbar. Das VGH stellt in diesem Zusammenhang aber unmissverständlich fest: Alle wichtigen Festlegungen sind im Planfeststellungsverfahren zu bewältigen. Das ist nicht nur hier nicht geschehen.

Die minimale Überdeckung über der Tunnelfirste soll bis zu 32 m betragen und liegt im Bereich der Neckarunterquerung zwischen ca. 8 und 17 m. Hierbei sollen insbesondere auf der im Bereich Wangen / Ulmer Straße mehrere Störungszonen durchbohrt werden, in deren Bereichen das Gebirge teilweise ,laut Gutachten der Bahn „stark entfestigt“ ist. Auch vergleichsweise unverfestigte Neckar -Ablagerungen und knapp unterfahrene Gebäude und Großkonzerne sind für „Überraschungen“ gut und garantieren eine Steigerung des vorgetäuschten „Festpreises“ für die Tunnel.

Geologisch spannend ist auch der geplante Tunnel-„Zwischenangriff“ Ulmer Straße in Wangen am Hangfuß, der ca. 37 m Tiefe in den Untergrund vorangetrieben werden. Das Bauwerk liegt dabei auch teils in ausgelaugten hohlraumreichen Schichten des Gipskeupers – und Lärm und LKW-Verkehr sind die garantierten Bestandteile diesen Riesenloches.

Jetzt zum Wasser:

Hier, direkt unter dem Neckar fließt nach neueren Forschungen ein mengenmäßig bedeutender südlicher Zustrom, uralten (Eiszeit), warmen und mineralreichen Mineralwassers dem Quellgebiet um Bad Cannstatt zu. Dieser Zustrom ist vor allem verantwortlich für den Mineralgehalt und die Temperatur des Mineralwasser– also für ihren Heilwasserstatus. Ein Störung dieses Mineralwasserstromes durch die geplanten Tunnelbaumaßnahmen könnte fatale Auswirkungen haben.
Die größte Gefahr besteht hier durch schon bekannte und evtl. unbekannte Verwerfungszonen, also Rissen in den Gesteinsschichten. An diesen Undichtigkeiten könnte unkontrolliert und massiv Mineralwasser aus dem vordergründig sehr tief liegenden Muschelkalk (ca. 80m) aufsteigenden.
Denn die Tunnel sollen bis zu 50 m unter dem Druckwasserspiegel des Mineralwasservorkommens liegen. (zum Vergleich Schlossgarten nur 14 m). Dies entspricht einem Druck von 5 bar. - das doppelte eines Autoreifens. Würde beim Tunnelvortrieb ungewollt eine Wasserwegsamkeit geschaffen, würde das Mineralwasser unkontrolliert an die Oberfläche, schlimmstenfalls in den Neckar austreten. Hierbei wären die Stuttgarter Heilquellen konkret in Ihrem Bestand gefährdet.

Angeblich durch weitere Erkundungsbohrungen (im aber schon 2003 abgeschlossenen 5. Bohrprogramm) hat sich die Grundwassermenge für alle Grundwasserleiter in den Gipskeuper- und Lettenkeuper-Schichten über dem Mineralwasserhorizont nach den neuen Unterlagen erhöht. Maximalwerte liegen sogar bis zum Faktor 100 über früheren Auswertungen. Wie diese Differenz zu den früheren sehr umfangreichen und sorgfältigen Untersuchen zu erklären ist ist nicht wirklich nachzuvollziehen. Es sei den die Planfestellung erfolgte bei mangelnder Datenbasis total überhastet.

In der aktuellen Planänderung wird auch darauf hingewiesen, dass in allen Grundwasserproben bis hinein in den Mineralwasserhorizont bereits Spuren von chemischen Lösemittel gefunden wurden. Das ist bedenklich, weil der uralte südliche Strom bisher frei von Verunreinigungen war und in Esslingen z.B. noch keine Anzeichen von Verunreinigungen aufweist.

Inwieweit deshalb die geplanten umfangreichen Wasserhaltungsmaßnahmen hier am Neckar, in denen auch Grundwasser zu den Baugruben aus der Umgebung über Jahre hingezogen werden, zu weiteren Verunreinigungen der tieferen Grundwasserstockwerke führen können, ist deshalb eine ungeklärte Fragestellung, da das Grundwassersystem im Bereich der geplanten Tunnel nach den vorliegenden Unterlagen der Bahn noch wenig verstanden ist.

Stuttgart 21 betrifft in Wirklichkeit fast ganz Stuttgart. Und das Stuttgarter Mineralwasser ist nicht nur im Talkassel und durch das bisher unbrauchbare Grundwassermodell gefährdet. Gerade auch hier im Neckartal – und durch die geplante stadtweite Manipulation des Grundwassers über Jahre ist dieser einzigartiger Naturschutz an (fast) reinem Wasser nachhaltig gefährdet.

 

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Dr. Ralf Laternser - Diplom-Geologe - Stuttgart