Geologie Stuttgart 21 S21

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Die Erörterung - Schauveranstaltung für lästige Bürger

Erörterung und Erörterungsbericht zur Planänderung „Erhöhung der Grundwassermenge“, PFA 1.1 Tiefbahnhof Stuttgart 21

Erschienen am 18.3.2014

Betrifft: Erörterung und Erörterungsbericht zur Planänderung „Erhöhung der Grundwassermenge“, PFA 1.1 Tiefbahnhof Stuttgart 21 - oder:

 

Schauveranstaltung für lästige Bürger

Ein Bericht von Ralf Laternser (Experte Geologie für den BUND Baden-Württemberg bei der Erörterung 2014 zur Planänderung Grundwasser  Stuttgart 21;  anwesend 5 von 6 Tagen )


Hintergrund:

Im Jahre 2005 wurden die geplanten komplizierten und stadtweiten Eingriffe in das sehr komplexe Stuttgarter Grundwasser ("Grundwasser-Management") für das Projekt Stuttgart 21 genehmigt. Alle Fachbehörden, das Regierungspräsidium Stuttgart und darauf sich berufend das Eisenbahnbundesamt sahen alle Untersuchungen, Planungen und Fachgutachten als ausreichend, fachlich vorbildlich und für die Projektdurchführung als sehr zuverlässlich und sicher an.

Alle Einsprüche von Bürgern wurden schon damals als durchweg unbegründet vom Regierungspräsidium Stuttgart abgewiesen.

 

Aber dann:

Im Jahre 2012 wurde von der Bahn AG bezüglich der Grundwasserbewirtschaftung überraschend eine umfangreiche Planänderung zur Grundwasserentnahme beantragt, da ein "neues Bohrprogramm" (welches offiziell aber schon 2003 beendet wurde) "neue" Erkenntnisse brachte – mit dem Hintergrund, das die schon enormen umzuwälzenden Grundwassermengen nach aktuellen Berechnungen sich mehr als verdoppeln würden. (Es ist mittlerweile bekannt das sogar eine in Deutschland bisher einmalige (da gesetzlich eigentlich nicht mögliche) nach oben offene Grundwasserentnahme beantragt wurde!). Die Planungen und Gutachten zum Grundwasser-Management von 2005 waren grundlegend falsch und alle Fachbehörden hatten sich grundlegend geirrt!

Seit dem Jahre 2012 hat sich daraufhin ein projektkritischer Arbeitskreis von Ingenieuren und Naturwissenschaftlern gebildet, der zusammen mit einem sehr erfahrenen geologischen Fachgutachter und Experten für Grundwasserbewirtschaftung die geplanten Maßnahmen intensivst analysiert und fachlich bewertet hat.

Das Ergebnis war eindeutig:

Das Grundwasser-Management weist extreme fachliche Mängel und Ungereimtheiten - und sogar gezielte Manipulationen auf. Es wurde ausserdem in unzähligen Besprechungen zwischen Fachbehörden und Projekt-Mitarbeitern passend gemacht - und wurde später von denselben Fachbehörden nach "kritischer und unabhängiger Prüfung" quasi durchgewinkt.

Die ganze fachliche Auseinandersetzung für Außenstehende nachvollziehbar zu machen ist nur schwer möglich - zumal die Vertreter der Bahn AG eine durchaus mögliche Aufzeichnung der tagelangen Erörterungsverhandlungen durch ihr Veto ständig verhindert haben. Zwar existiert eine umfangreiches Erörterungs-Wortprotokoll, doch auch dieses darf unter Androhung von hohen Geldstrafen aus Gründen des "Datenschutzes" nicht öffentlich gemacht werden und ist wohl nur für engagierte "Insider" interessant. Das alles deutet auf ein Pseudoverfahren hin, beim dem möglichst wenig an eine größere Öffentlichkeit dringen soll und somit der Bericht des Regierungsbehörde und die Entscheidung der Planungsbehörde (Eisenbahnbundesamt) für die Allgemeinheit nicht mehr nachvollziehbar sind.

Nach insgesamt 6 Tagen der Erörterung der Planänderung "Erhöhte Grundwasserentnahme" von Stuttgart 21 liegt seit Februar 2014 nun der Erörterungsbericht [LINK: pdf] des Regierungspräsidums Stuttgart vor.

Das Ergebnis ist für uns Kritiker des "Bahnhofprojekts", dessen öffentlicher, alles rechtfertigende Nutzen eine angebliche Verdopplung oder (später dann) zumindest Leistungssteigerung des Bahnknotens Stuttgart sein soll, in seiner Einseitigkeit und seiner Ignoranz gegenüber tausenden von Einwendungen durch Bürger und Experten in 6 Tagen Erörterung mit einer Vielzahl von kritischen Fachstellungsnahmen, Fragen und Argumenten nicht mehr zu überbieten. Nach meiner Analyse des Erörterungsberichts übernimmt das Regierungspräsidum mit einer Ausnahme (Turmgründung) durchweg alle von der Bahn vorgetragenen Standpunkte und Analysen strittiger Sachverhalte.

Zitat Seite 33::

Nach Auffassung der Anhörungsbehörde haben die Fachgutachter der Vorhabenträgerin nachvollziehbar dargelegt, dass insbesondere der Umfang, der Zweck und die Gesamt-auswirkungen der Planänderung mit der Änderung relevanter wasserwirtschaftlicher Tatbestände im Verhältnis zur Gesamtplanung im Wesentlichen gleich bleiben und lediglich in abgegrenzten Bereichen baulogistische Abläufe geändert werden. Zusätzliche, belastende maßgebliche Auswirkungen auf Schutzgüter des  UVPG entstehen weder für die Umgebung noch für Belange Betroffener.

Eine konkrete und detaillierte inhaltliche Wiedergabe oder die nachvollziehbare Auseinandersetzung mit den teils heftigen fachlichen Diskussionen oder sehr konkreten Einwendungen ist fast nicht erkennbar - sondern bleibt meist nur oberflächlich. Eine Ausnahme scheint die zentrale Diskussion um das Grundwasser-Management zu bilden. Doch übernimmt auch hier das Regierungspräsidium zu 100% die Position der Bahn AG. Der sehr erfahrene und mit dem Grundwasser-Thema langfristig beschäftigte Gerichtsgutachter, der Geologe Dr. Lueger wird im ganzen Bericht namentlich nicht erwähnt und lediglich als "Berater des BUND" abqualifiziert.

Kontroversen werden im Bericht nur verzerrt, einseitig und meistens unvollständig wiedergegeben. Das die Antworten der Bahn AG überwiegend von einem Juristen gegeben wurden, das die Vertreter der Behörden sich niemals zu Wort meldeten oder das am letzten Verhandlungstag weder Behörden noch Bahn mit Fachleuten vertreten waren und der Projektleiter Penn zur Geologie zu antworten versuchte, findet zum Beispiel keinerlei Wiedergabe im Bericht bzw. der Bewertung des Regierungsprädidiums.

 

Die obige Bewertung durch das Regierungspräsidium ist schon vom ursprünglichen Ausgangspunkt der Erörterung fraglich:

Man verdoppelt die Grundwassernentnahme bis hin zu eine theoretisch grenzenlosen Menge, muß auf Anweisung der Planungsbehörde wegen der erheblichen Eingriffs in private und öffentliche Schutzgüter die Öffentlichkeit - und am Ende ergeben sich aber keinerlei Auswirkungen auf selbige. Hierzu darf sich jeder selbst eine Meinung bilden.

 

Beispiel Hangrutschrisiko durch erhöhte Grundwassermengen

 

Bei der Bewertung des Hangrutsch-Risikos kann ich als Vortragender und ständig Anwesender die Diskussion und Hintergründe jedoch inhaltlich und im Zusammenhang widergeben und mit den Aussagen der Erörterungsberichts abgleichen. Ich mache das aus bestimmten Gründen nur kurz.

In meinem Erörterungs-Vortrag [LINK] wies ich aufgrund einer aktuellen Fachpublikation der Bahn zum aktuellen Bau des Katzenbergtunnels in Südbaden (die somit klar den Stand der Technik definiert) darauf hin, dass bei dem geologischen Vergleich zur Situation im dichtbesiedelten Stuttgart folgendes zu festzuhalten ist:

 


  • am Katzenbergtunnel konnten über viele Jahre trotz einer Messsonde keine Hangbewegungen ermittelt werden.

  • erst nach Schaffung eines Messnetzes im Zuge der vorsorglichen Tunnelplanung konnten dann doch Hangbewegungen nachgewiesen worden. NUR EINE MESSSONDE IST ALS NIEMALS AUSRREICHEN UND ZUVERLÄSSLICH!

  • die Hangrutschgefahr über Katzenbergtunnel war weit weniger kritisch, da keine geologischen Schichten mit bekannter Rutschanfälligkeit wie der Gispkeuper am Ameisenberg betroffen waren

  • die Hangrutschgefahr über Katzenbergtunnel war weit weniger kritisch, da dort im Gegensatz zur Situation in Stuttgart weder Hangrutschkörper vorhanden sind, noch Hohlräume im Gipskeuper, noch quellfähiger Anhydrit

  • die Hangrutschgefahr über Katzenbergtunnel war weit weniger kritisch weil dort keine langfristige Einpressung von Grundwasser als mögliches Gleitmittel geplant sind

  • die Hangrutschgefahr über Katzenbergtunnel war weit weniger kritisch, weil die Tunnelquerschnitte ((nur 2 Röhren, keine Verzweigungsbauwerke, keine Großkavernen für das zerlegen der Tunnelbohrmaschine) weit geringer waren, keine Hebungsinjektionen undkeine Eingriffe in den Hangfuß geplant waren.

  • die Hangrutschgefahr über Katzenbergtunnel war weit weniger kritisch, da keine extrem dichtbesiedelten Bereiche über eine viel längere Zeit betroffen waren, sondern nur 14 Häuser über wenige Wochen

 

Man muß dabei wissen, das sich das Risiko von Hangrutschungen gerade durch das Zusammenwirken mehrere Faktoren deutlich erhöht!

Ich habe in meinem Beitrag eindrücklich darauf hingewiesen, das für den gesamten Ameisenberg NUR EINE Messsonde im Einsatz ist (bzw. sein soll), deren genau Lage in keiner Karte vermerkt ist und deren Hang-Position oberhalb des besonders rustschgefährdeten Gispkeupers oder bekannter Hangrutschkörper VÖLLIG UNGEIGNET IST. Ebenso habe ich eingewandt, das für den Messpunkt der Bahn keinerlei Messdaten vorliegen und habe diese nachgefordert. Natürlich ohne Antwort oder Wirkung! Das gleiche gilt für die Forderung eines baubegleitendes Messnetz das Hangbewegungen erkennt, wenn es wirklich ernst werden sollte mit den geplanten Eingriffen.



Was sagt das Regierungspräsidium in seinem Bericht zu all diesen Tatsachen?

Zum Einwand, es seien unzureichend Messungen vorgenommen worden, ist insbesondere auch auf den Erörterungstermin hinzuweisen, in dem der Gutachter der Vorhabenträgerin nachvollziehbar erläutert hat, dass die einschlägigen TRIVEC-Messungen durchgeführt wurden und auch ausreichend für die Beurteilung der durch die Baumaßnahme bedingten Auswirkungen sind.“

 

Aktueller Hangbericht vom Ameisenberg: [Video]



 

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Dr. Ralf Laternser - Diplom-Geologe - Stuttgart