Geologie Stuttgart 21 S21

Archiv

Grundwasser, Tunnel und Explosionen

Immer neue geotechnische Änderungen und neue Details zu Stuttgart 21

Erschienen am 06.02.2012

Der Fildertunnel

Der geplante Fildertunnel - oder auch Planfeststellungsabschnitt (PFA) 1.2 - soll den dann ca. 10 m über den Erdboden herausragenden Tiefbahnhof (PFA 1.1) mit dem noch nicht beantragten Filderabschnitt (PFA 1.3) verbinden. Der Fildertunnel ist also nur ein Bauabschnitt des, aus Gründen der Handhabbarkeit in einzelne Abschnitte unterteilten, Projektes Stuttgart 21.

Die wichtigsten beantragten Änderungen sind:

  • die Abänderung der Tunnelbaumethode über weite Strecken auf Tunnelbohrmaschinen (TBM)
  • die Verkürzung der Abstände der Fluchtstollen auf 500 m und die Änderung der Zahl und Lage der Dichtungsmaßnahmen gegen Grundwasser (beides wurde übrigens in der Schlichtung von der DB als absolut sicher dargestellt)
  • und dem Bau zweier großer Montagekavernen für die Tunnelbohrmaschinen unter dem dicht besiedelten Stuttgarter Ameisenberg

Die Bahn hatte für den Fildertunnel eine Planänderung vorgelegt, nachdem die alte Baugenehmigung als wirtschaftlich ungünstig eingeschätzt wurde. Das "Graben" eines Tunnel mit Tunnelbohrmaschinen gilt in den meisten Fällen als schonender und günstiger, sodass es eigentlich verwunderlich ist, dass die Deutsche Bahn AG nach so vielen Jahren der Planung nun plötzlich ihr Konzept ändert.

Alle Gutachten für den Fildertunnel wurden von Fachleuten gemacht, die von der Bahn beauftragt wurden. Das Landesamt für Geologie war nach eigenen Angaben bei der Planerörterung am 30. und 31.01.2012 an der geotechnischen Bewertung des Fildertunnels nicht beteiligt.

Problematisch ist der Bau des Fildertunnels vor allem wegen der tunnelbautechnisch schwierigen Gesteine des Gipskeupers mit quellfähigem Anhydrit und löslichem Gips direkt unter einer dicht besiedelten Großstadt.

Deshalb ist das wesentliche Sicherheitskriterium für den Fildertunnel die Dicke der Tunnelwände, die über fast 2 x 4 km Tunnelstrecke dem möglichen Quellen von Anhydrit über mindestens ein Jahrhundert standhalten sollen und müssen. Hierbei ist kritisch anzumerken, dass vergleichbare Tunnel in Stuttgart in den gleichen Gesteinen, wie etwa die S-Bahn-Wendeschleife am Hasenberg, deutlich dickere Tunnelwände haben (100 cm) als der geplante Tunnel mit überwiegend nur 60 cm Wanddicke.

Bemerkenswert hierbei ist, dass das Gutachten, das die möglichen Quelldrücke auf den geplanten Tunnel beinhaltet, bei Auslage der Pläne fehlte. Die Bahn schätzt diesen Sachverhalt als rechtmäßig und unwesentlich ein. Bei der Erörterung zu PFA 1.2 wurde die Bautechnik für den geplanten Fildertunnel mit ihrer geringen Tunnelwandstärke von den Fachleuten der Bahn als "Prototyp" bezeichnet.

Um den unerwünschten und für die Quellung von Anhydrit sehr kritischen Wasserfluss entlang der, als Drainage wirkenden, äußeren Tunnelwand zu verhindern, sind Betondämmringe und Kunstharzinjektionen in das umgebende Gestein geplant. Auch hier gab es, anders als in der Schlichtung dargestellt, scheinbar noch Verbesserungsbedarf. Dies zeigt die Änderung der Lage und Zahl der Dämmringe und Injektionsbereiche.

Einen völlig neuen geotechnischen Eingriff in PFA 1.2 stellt die Erstellung von zwei unterirdischen Montagekavernen zum Zusammenbau der Tunnelbohrmaschine(n) direkt unter dem Ameisenberg dar. Diese Kavernen sollen ein Volumen von 10800 Kubikmeter haben. Während der Erörterungsverhandlung zu PFA 1.2 am 30. und 31.01.2012 in Stuttgart legte die Bahn jedoch überraschend und gegen die Richtlinien der Planfestellung neue Kavernenpläne vor, sodass jetzt vielleicht mit einer Wendekaverne gerechnet werden muss. Die genaue Größe und Lage der Kavernen ist somit völlig unklar. Bei dem Erörterungstermin wurde festgestellt, dass die Bahn bisher noch keine gezielten Erkundungsbohrungen im Bereich der Montagekavernen durchgeführt hat. Diese Vorgehensweise kann nur als grob fahrlässig bezeichnet werden.

Die Wiedereinleitung von Wasser aus den Baugruben und dem Tunnelbereich ist von der Planänderung nach Auskunft der Bahn nicht betroffen, da sie sich angeblich im Vergleich zur ursprünglichen Baugenehmigung 2005 nicht verändert. Hier muss ein großes Fragezeichen stehen, da die Deutsche Bahn AG 2011 und vor kurzem zweimal einräumen musste, dass sich die abzupumpende Grundwassermenge im benachbarten PFA 1.1 verdoppeln bzw. ändern soll und hierfür ein detailliert ausgearbeiteter Änderungsantrag noch aussteht. Es scheint wenig wahrscheinlich, dass der Ameisenberg im Bereich des PFA 1.2, der an des Grundwassermanagement angeschlossen ist, hier nicht auch betroffen ist. Die Bahn will am Ameisenberg für Stuttgart 21 langfristig Wasser abpumpen und wieder in den Untergrund einleiten, wobei das Wasser im Bereich PFA 1.1 aufbereitet und kontingentiert wird (sog. Grundwassermanagement). Im Bereich des Ameisenbergs gab es 2007 bereits überraschende Bohrwasserverluste am Bohrloch 203. Das "Stopfen" und Verschließen benötigte nach Augenzeugenberichten viele Tage und viele Laster mit Beton. Diese Vorkommnisse sprechen dafür, dass es in diesem Bereich ein ausgedehntes und räumlich nicht erfassbares Hohlraumsystem gibt. Hier könnte Wasser möglicherwiese unkontrolliert in Bereiche abfließen, wo Hangrutschungen ausgelöst werden könnten.

Die Bahn hat bei der oben genannten Erörterung den offensichtlich wassertechnischen Zusammenhang von PFA 1.2 mit PFA 1.1, wie ihn die Umweltverbände bei der Erörterung aufzeigten, als nach Ihrer Ansicht nicht relevant für die Planänderung zurückgewiesen.

Schließlich liegt der Anfahrtsbereich des Fildertunnels in Stuttgart im Druckspiegelbereich [wikipedia] des Stuttgarter Mineralwassers. Als Komplikation kommt die Lage dieses Anfahrtsbereichs an einer geologischen Verwerfungszone [wikipedia] mit vielen z.T. sehr großen Dolinen hinzu. Es ist hier geologisch klar festzustellen, dass in diesem Anfahrtsbereich die bröselige und hohlraumreiche Geologie oben und das unter Druck stehende Mineralwasser unten eine besonders risikoreiche Situation darstellen. Ein unkontrolliertes Aufdringen von Mineralwasser ist nach den Unterlagen aus PFA 1.2 zwar "möglich, aber wenig wahrscheinlich".

Wie hoch diese geringe Wahrscheinlichkeit ist, bleibt unklar. Der anwesende Geologe der Bahn schätzte bei der Erörterung am 31.01.2012 das geplante Grundwassermanagement so ein: "Was mit dem Grundwasser passiert, werden wir sehen wenn gebaut wird". 

Am Ende dieser Darstellung der geologischen Probleme beim Fildertunnel und der beantragten Planänderung noch folgendes "explosives" Detail:
Es gibt Hinweise darauf, dass in bestimmten Bereichen des Fildertunnels beim Bau und beim Betrieb explosives "Grubengas" auftreten könnte.

 

Presseberichte Fildertunnel:

Fildertunnel: Bohrmaschine ist bestellt - Stuttgarter Nachrichten

SPD diskutiert Standort des neuen Filderbahnhofs - Stuttgarter Zeitung

Noch ist vieles veränderbar beim Filderbahnhof - Südwest Presse

 

Presseberichte Grundwassermanagement:

Bahn plant zweite Grundwasseranlage am Bahnhof - Stuttgarter Zeitung

Bahn: Zweite Grundwasseranlage ist eine Option - Stuttgarter Zeitung

 

Bericht zum Erörterungstermin

Erkenntnisse des Erörterungstermins von Gerhard Pfeifer, Ralf Laternser u.a. - kopfbahnhof-21.de

 

     

    Zur Archiv-Übersicht

    Dr. Ralf Laternser - Diplom-Geologe - Stuttgart