Geologie Stuttgart 21 S21

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Anhydritrisiko bei Stuttgart 21 wird trickreich kleingeredet

Mehr Tunnelkilometer im Anhydrit als in den letzten 60 Jahren insgesamt in Europa. Wie die immense Gefahr beim Tunnelbau bei Stuttgart 21 systematisch verharmlost und kleingeredet wird.

Erschienen am - Anhydritrisiko bei Stuttgart 21 wird trickreich kleingeredet

Nachtrag 24.12.2016

So ist es dann, wenn der Anhydrit unter dem eigenen Haus vor sich hin quillt - aktuelles weihnachtliches Beispiel aus Böblingen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung vom 24.12.2016

                                    Frohe Weihnachten!

Tunnelbau im Anyhdrit ist bis heute noch ein enormes, technisch nicht beherrschtes Risiko. Planer vermeiden weltweit Tunnelstrecken im Anhydrit. Für Stuttgart 21 sollen 15,8 km Tunnel im Anhydrit im Gipskeuper gebohrt werden - soviel wie seit 1957 insgesamt in Europa. Für die fragwürdige Verkleinerung des Stuttgarter Hauptbahnhofes in eine brandgefährliche, schräge (Gefälle  6x höher als in Bahnrichtlinien erlaubt) Haltestelle zum Wucherpreis, ein völlig unverhältnismässiges und verantwortungsloses Geo-Risiko [Bewertung von Stuttgart 21 durch die Ingenieure22]!

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Neues Geheimes Gutachten

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Der Tunnelbau im Stuttgarter Anyhdrit erfolgte bisher ohne irgendwelche zeitnahe Information der Öffentlichkeit oder oft zwangsenteigneten Anwohnern. Erst das Bekanntwerden eines eigentlich streng geheimen Bahn-Gutachtens (Auszüge unten) am 2. Dezember .......

Die Stuttgarter Zeitung berichtet in diesem Bezug über ein aktuelles geheimes Gutachten der Wirtschaftsprüfer Ernst Basler+Partner (kurz KPMG), welches im Auftrag der Bahn erstellt wurde und jetzt an die Öffentlichkeit gelangte.

  • „Nach Einschätzung von KPMG  „könnten mögliche Schäden an den Tunnelbauten, die auf mehr als 15 Kilometern durch problematische Anhydrit-Schichten führen sollen, im Extremfall zu teuren Sanierungen und Terminverzögerungen von bis zu drei Jahren führen. Dann würde S?21 erst Ende 2024 fertig.“
  • Zudem könnten durch die Anhydrit-Risiken sogar Neubauten von Teilen der Tunnel nötig werden und dadurch Folgekosten entstehen, pro Schadensfall bis zu 195 Millionen Euro. Der Bahnbetrieb wäre bei größeren Tunnelschäden überdies „nicht mehr gewährleistet“, warnen die Experten“.
  • „Die Wahrscheinlichkeit, dass solch ein Schaden der höchsten Risikostufe 3 eintritt, gibt die Studie bei den beiden je 2,9 Kilometer langen Röhren des Tunnels Feuerbach mit 4,5 bis 13,5 Prozent an. Bei der Westachse des Tunnels Bad Cannstatt liege dieses Risiko bei 2 bis 6 Prozent, bei den übrigen Bauwerken bei höchstens 1,5 Prozent“.
  • „Häuser könnten beschädigt werden. … Bei allen vier Tunnelbauwerken kann es den Gutachtern zufolge in solchen Extremfällen auch zu Schäden an der Oberfläche und an Gebäuden über den Tunneln kommen. „Dies hätte Gebäudesanierungen bzw. Entschädigungszahlungen zur Folge“, heißt es im Bericht auf Seite 52. Solche Schäden seien aber laut DB versichert und würden keine Mehrkosten bei S?21 verursachen“.
  • „Für problematisch halten die Gutachter auch, dass sich die DB bei der Bewertung der Tunnelrisiken bisher nur auf diesen einzigen Berater - den Planer selbst- gestützt habe. Ein Beirat aus mehreren internationalen Fachleuten wäre die bessere Lösung gewesen, urteilt KPMG.“

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.... löste ein hektische "Anhydritgefahr-Beschwichtigungs -Öffentlichkeitsarbeit" der Bahn AG aus, die man insgesamt als grob täuschend und verharmlosend bewerten muß!

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„Im Rahmen des Projekts Stuttgart 21 sind bereits über die Hälfte der relevanten Anhydritlinsen erfolgreich durchfahren worden". (Pressererklärung der Bahn AG vom 2.12.2016)

Im ZDF-Beitrag „Stuttgart 21 und die Kosten„ erklärte Projektleiter Christoph Lienhardt, dass bereits „61% der Strecken hergestellt“ sind.

 „Von den bisher bereits aufgefahrenen rund 23 Kilometern befinden sich 3,7 Kilometer im Anhydrit.“ (Pressemiteillung der BahnAG vom 8.12.2016)

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Man kann hier nur von der üblichen projekttypischen Täuschung der Öffentlichkeit sprechen - hierzu ein kurze geologisch-mathematische Analyse der obigen Bahn-Meldungen:

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  • 3,7 km sind nicht 61 % sondern 23% von insgesamt 15,8 km Anhydritstrecke.

  • Wie viele Bereiche relevant sind oder nicht ist bisher geologisch nur eingeschränkt vorherzusagen. Der Tunnelvortrieb erfolgt (aufgrund der relativ weitständigen Vorrauserkundung durch Bohrungen neben den eigentlichen Tunnelröhren und den wechselhaften geologischen Verhältnissen) deshalb mit gleichzeitiger aufweniger geologischer Probennahme - und analyse. Man ist sich halt doch nicht so sicher wo genau noch Anyhdrit vorhanden ist - und vermutet z.B. im der zweiten Röhre des Cannstatter Tunnels eine "weitere" relevante Anhydritlinse. 

  • Extrem kritische, noch ausstehende geologische Bereiche, wie 6 sich überlagernde Tunnel und eine Wendekaverne genau im anhydrithaltigen Bereich über bekannten Hebungen des Wagenburgtunnels (bis zu 120 cm!) direkt unter der besonders dicht bebauten Innenstadt, werden von der Bahn AG niemals erwähnt.

  • Zudem ist der das Anhydritquellen ein langfristigergeologsicher  Prozess der über 100 Jahre andauern und auch nach der Fertigstellung einsetzen kann. Deshalb sollen nach dem oben erwähnten Bahngutachten die relevanten Anhydritbereiche auch "1-2 Jahre ohne Innenausbau beobachtet werden". Diese Zeitverzögerung wird im Bahngutachten wohl berücksichtigt - nicht aber die logische Kostensteigerung durch dieses Vorgehen.

(Übrigens wurden die ursprünglichen, jetzt offensichtlich geänderten Planungen zum Tunnelbau im Anyhdrit von Bürgern und den Ingenieuren22 bei den Einspruchsverhandlungen (Erörterungen) zu Stuttgart 21 als völlig unzureichend kritisiert. Die fundierten Einwendungen (schriftlich, mündlich) wurden von zuständigen Regierungspräsidum Stuttgart als unbegründet abgewiesen. Dies gilt ausnahmlos auch für alle anderen Kritikpunkte.)

 

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Aktuelles Beispiel von "Überraschungen" beim Tunnelbau bei Stuttgart 21

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Vor Kurzem kam es zu erheblichen Probleme mit"überraschenden" Hohlräumen beim Tunnelvortrieb in Untertürkheim in der geologisch bekannten hohlraumreichen Übergangszone vom massiven Gips (das Umwandlungsprdukt des Anhydrits) zum angelösten Gips - dem sogenannten Gipsspiegel. Hohlräume in diesem Bereich sind  typisch und Geologen wohl bekannt - von "überraschend" kann also keine Rede sein!

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"Der am 3. September 2016 bei Tunnelvortriebsarbeiten im Tunnel Obertürkheim erfolgte Wassereintritt auf Höhe der Albert-Dulk-Straße konnte in der Nacht zum 6. September weitestgehend gestoppt werden. Die Stelle des Wassereintritts wurde angeblich mit einer Betonplombe von der Erdoberfläche aus abgedichtet. Die in den Tunnel eintretende Wassermenge hat sich dadurch stark reduziert. Letzte Abdichtungsarbeiten wurden seitdem vom Tunnel aus vorgenommen. Während der Abdichtungsarbeiten war die Lage im Tunnel durchgängig stabil. Die Albert-Dulk-Straße und der benachbarte Sportplatz sind zum 6. September wieder für die Öffentlichkeit freigegeben. Um weitere Hohlraumbildungen auszuschließen, werden am Rand der Albert-Dulk-Straße in der Folge noch einige Rammsondierungen vorgenommen. Die Wiederaufnahme desTunnelvortrieb soll danach nur eine Frage weniger Tage sein."

Quelle: Tunnelonline

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Seitdem ruht der Tunnelbau an dieser Stelle und es werden umfangreiche, zeitaufwendige und kostspielige "Bodenverbesserungen" vorbereitet  (Bild unten). Letztendlich hat man genügend Zeit, denn die Planungen für den benachbarten Bauabschnitt Abstellbahnhof (PFA 1.6b) wurde nach jahrelanger "Nichtgenehmigbarkeit" -  oder besser Fehlplanung - von der Bahn AG wieder zurückgezogen und müssen nun neu beantragt werden.

Vorbereitungen zum "Gipshohlräume" stopfen über der geplanten Tunnelröhre in Untertürkheim. Glücklicherweise auf einem Sportplatz!

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Dr. Ralf Laternser - Diplom-Geologe - Stuttgart