Geologie Stuttgart 21 S21

Geologie

Mineralwasser, Gipskeuper und Verwerfungen

Stuttgart 21 ist auf sehr schwierigem und oft geologisch unvorhersehbaren geologischen Untergrund geplant. Hätte man zu Beginn der Planungen Geologen mit einbezogen so hätte diese sicher auf die enormen geologischen Probleme und die Gefährdung des Mineralwassers hingewiesen, die beim Bau eines Tiefbahnhofs mitten in Stuttgart zu erwarten sind und umweltschonendere, einfachere und kostengünstigere Alternativen dargestellt.

Als prominentestes geologisches Problem wäre hier natürlich das einzigartige und empfindliche Stuttgarter Mineralwasservorkommen zu nennen gewesen. Gleich anschließend der problematische Baugrund für Tunnelbauwerke mit den eigenwilligen quell- und lösungsanfälligen Schichten des Gipskeupers im Bereich einer geologischen Bruchzone im Stuttgarter Talkessel.

 

Stratigraphie

Geologische Schichtenfolge im Stuttgarter Talkessel

Störungen

Viele Verwerfungen (Risse durch alle Schichten; als schwarze Linien dargestellt) machen den Stuttgarter Talkessel zu einer geologischen Bruchzone.

Diese schwierigen naturräumlichen Vorgaben bergen also außerordentliche geologische Risiken, die einen erheblichen planerischen, bautechnischen und vor allem auch finanziellen Aufwand beinhalten und die zu einem gewissen Grade unvorhersehbar sind.

 

Stuttgart 21 -  extrem schräger Halb-Tiefbahnhof bzw. Haltestelle

Am augenscheinlichsten zeigt sich die geologische Problematik von Stuttgart 21 darin, dass der geplante Tiefbahnhof eigentlich lediglich ein Halb-Tiefbahnhof ist.

Man kann im mittleren Nesenbachtal aus räumlichen, geologischen und technischen Gründen einfach nicht tiefer in den Untergrund. Der geplante Erwall soll bis 8 m hoch werden - zuzüglich, der (mittlerweile zahlenmäßig reduzierten) 4 m hohen "Lichtaugen. Die geologischen Risiken, gerade auch im Bezug auf den Heilquellenschutz, sind den an der Planung beteiligten Fachleuten sehr wohl bekannt. Wahrscheinlich sollen nun noch zusätzlich notwendige, bisher nicht geplante Brandschutz-Treppenhäuser in das Dach integriert werden (Artikel aus der FAZ [Link] und den Stuttgarter Nachrichten [Link]. Die geplante Haltstelle bildet also nicht nur unterirdisch - sondern auch oberirdisch eine erheblich Barriere. Ob das alte, schon längst sanierungsbedürftige Stellwerk als Längsriegel im Nesenbachtal ebenfalls bleiben muss, da scheinbar in der Planung bisher unberücksichtigt [Link], ist ebenfalls völlig unklar.

Visualisierung des geplanten  "Tiefbahnhofs" durch den Architekten Roland Ostertag

Vortrag Rathaus

Diese Risiken wurden im Vorfeld von Planungsbeschlüssen scheinbar nicht kritisch genug gewürdigt und mit unproblematiuschere Alternativen abgewägt und ernsthaft in Betracht gezogen. Der Bahnhof sollte grundsätzlich in die Tiefe ohne Rücksicht auf die schwierige Geologie vor Ort. Die Fachleute beschränkten sich auf die sehr aufwendige technische Darstellung und Umsetzung des bereits beschlossenen Projektes und die damit einhergehende Aufhebung des Heilquellenschutzes bis an die Grenzen (und über die Grenzen) des technisch Machbaren.

Technischer Heilquellenschutz - Stadt Stuttgart

Heil- und Mineralwasserschutz in Stuttgart [pdf] - Vortrag von Prof. Wollf Amt für Umweltschutz Stuttgart

Die Aussage, dass keine "unbeherrschbaren" geologischen Risiken bestehen kann nach einer geologischen Bestandsaufnahme und der Durchsicht der Planungsmaterialien relativiert werden . Um die nach offiziellem Wortlaut quasi nicht vorhandenen Risiken zu beherrschen, wird ein enormer technischer Aufwand getrieben. Schon allein die fachliche Bewertung, die Planung sowie die wissenschaftlichen und technischen Vorarbeiten zum Heilquellenschutz durch Geologen, Hydrologen und Ingenieure laufen schon seit mehr als einem Jahrzehnt und dienen lediglich als Ausgangspunkt für weit aufwendigere technische Verfahren und Prozesse während der sehr langen geplanten (und vielleicht noch viel längeren tatsächlichen) Bauzeit. Allein dieser Aufwand kann schon als deutlicher Hinweis für die doch sehr problematischen geologischen Verhältnisse gesehen werden. Paradebeispiel für den technischen Aufwand ist das aufwendige Grundwassermanagement:

Hier wird über den gesamten Bauzeitraum mit großem technischem, finanziellem und personellem Aufwand versucht, das Grundwassersystem im Untergrund stabil zu halten, damit das Mineralwasser beim Absenken des Grundwassers für die Baugruben nicht unkontrolliert aus dem Untergrund aufdringen kann und die Auswirkungen auf Gebäude und Park möglichst gering zu halten. Man geht hier an die Grenzen des technisch Machbaren - ohne die Wasserströme im Untergrund sehr genau kennen. Notfallpläne sollen eine mögliche "Mineralwasserkatastrophe" beherrschbar machen.

Zu Stuttgart 21+ 

Das von Heiner Geißler geforderte Stuttgart 21+ mit seiner Vielzahl an nötigen Verbesserungen in Planung und Ausführung ändert überhaupt nichts an den grundlegenden geologischen Risiken eines Problem-Halbtief-Bahnhofs in einem Heilquellenschutzgebiet und schwierigen und kostenträchtigen Verhältnissen für den Tunnelbau, sondern ignoriert sie weiter!

Dr. Ralf Laternser - Diplom-Geologe - Stuttgart