Geologie Stuttgart 21 S21

Wusstes du, dass das Anhydritproblem im Tunnelbau von Stuttgart 21 bei der Genehmigung 2005 technisch nicht gelöst war und Tunnel im Anyhdrit möglichst vermieden wurden. Und dass die erst später erarbeitete und natürlich 2014 auch genehmigte, sehr komplizierte angepasste Tunnelbautechnik für 15,3 km S21-Tunnel in Anhydrit technisch unerprobt ist und ohne jegliche Langzeiterfahrung.

Anhydrit und Gips - Der schwierige geologische Untergrund von Stuttgart 21

Bei geologischen Tiefeneingriffen in Untergrund mit unausgelaugtem Gipskeuper besteht immer ein gewisses Risiko: das Risiko des Anhydritquellens.  Schäden wie in Staufen im Breisgau [Artikel in SpiegelOnline] oder am Engelbergtunnel bei Leonberg kommen immer wieder vor, wobei das Auftreten bei Tunnel statitisch weitaus häufiger ist.

Geothermie als regenerative Ernergiequelle ist an sich eine saubere, nahezu unerschöpfliche und allgegenwärtige Energieform und sehr sinnvolle und nachhaltig . Doch insbesondere in quellfähigen Gesteinen wie z.B. dem "Gipskeuper"  (LINK zu Wikipedia) können (und sind) bei unsachgemäßer Erkundung und Ausführung erhebliche Risiken durch Quellprozesse von Anydrit ("wasserfreier Gips")im Untergrund auftreten (aufgetreten). Das Risiko ist sehr vielfältig und auch bei sachgerechter Ausführung und genauer Vorerkundung niemals ganz auszuschließen. 

Deshalb ist es im Vorfeld wichtig Risiko und Nutzen gründlich abzuwägen!

Darum beginnen erste Landkreise damit , das "Anbohren" von Gipskeuper zu untersagen um das Risiko des Anhydritquellens auszuschliesen - und zwingen so zu alternativen Planungen der Anlagen.

So hat das Landesamt für Geologie und Rohstoffe Baden-Württemberg im Jahre 2009 empfohlen, bei Gips- oder Anhydritvorkommen im Untergrund auf Erdwärmebohrungen zu verzichten. Im gesamten Landkreis Böblingen sind Erdwärme-Bohrungen im Gispkeuper seit Juni 2014 verboten.

Bekannteste Beispiele für "mißlungene" Geothermiebohrungen:

Staufen im Breisgau:

Was passiert wenn es bei einem"kleinen" Bohrloch durch anhydrithaltigen Gipskeuper zu Pannen oder Problemen kommt, zeigen Bilder aus Staufen im Breisgau vom 30.12.12.

Erwärmesondenfeld: c.a 10 x1 5 m

Tiefe der Quellung: 60-90 m

Hebungsbereich: 280 x 180 m

Bilder aus Staufen

   

   

 Weitere geologische Informationen zum "Zebrehen" von Staufen auf der Webseite des Landesamtes für Rohstoffe und Geologie [LINK]  oder in Wikipedia [LINK].

Böblingen: 

Großflächige Erdhebungen jetzt auch in Böblingen bei Stuttgart [Sonderseiten der Sindelfinger und Böblinger Zeitung: Zerreißprobe - Geothermieschäden im Kreis Böblingen)

Eine sehr gute Beschreibung des Sachverhaltes und der möglichen Maßnahmen und Folgen gibt diese Informationsseite von Stadt  und Landkreis Böblingen [LINK].


Tunnel im Gipskeuper - oder ist Stuttgart 21 das geologische Risiko überhaupt wert?

Von den geplanten 62 km Tunnelröhren für Stuttgart 21 sollen 15 km durch den Gipskeuper verlaufenDas sind ungefähr soviel Tunnelkilometer wie bisher insgesamt überhaupt in Europa in dieser Gesteinsschicht gegraben wurden. Von den 14 europäischen "Gipskeuper -Tunneln" weisen 80 % Probleme mit Quellerscheinungen auf.

Und Erdhebungen unter einer dicht besiedelten Großstadt sind nicht lustig (siehe: Beispiele Staufen und Böblingen hier auf dieser Seite). In Staufen genügte eine Bohrung 2007 um einen ca. 5 Hektar großen Bereich der Innenstadt zu heben. Der Maximalbetrag beträgt hier 54 cm und trotz umfangreicher Gegenmaßnahmen geht die zerstörerische Hebung immer weiter und ein Ende ist nicht abzusehen. Der Schaden wird aktuell auf 50 Millionen € geschätzt - ohne den Ärger und die Gefahr für die Betroffenen! [weitere Informationen hierzu auf der Webseite der Stadt Staufen]

Die Vorraussetzungen für Stuttgart 21 im Bezug zur Geothermie sind völlig anders.  Die angebliche, ursprünglich alle Maßnahmen und Risiken rechtfertigende Begründung für Stuttgart 21 war ein "Verdoppelung der Leistungsfähigkeit" des Bahnhofs. Mit dieser Behauptung war es möglich mit einer nie dagewesen Flut von Sondergenehmigungen u.a. den denkmalgeschützen Bahnhof teilweise abzureisen, jahrelang großfächig im Heilquellen-Schutzgebiet zu graben oder auch S-Bahnen und ICEs auf derselben Strecke fahren zu lassen. Nicht zu vergessen die Sondergnehmigung für das 6fach über den Grenzwerten liegende Gleisgefälle im geplanten Kellerbahnhof von 6.5 m.

Heute fahren im Hauptbahnhof Stuttgart max.37 Züge in den Spitzenzeiten. Aus den Planungsunterlagen und dem dem noch nicht genehmigten Brandschutzrettungskonzept für Stuttgart 21 sind in Wirklichkeit jedoch nur 32 bzw. 29 Züge angegeben. Die Verdopplung war also frei erfunden und auch andere höhere Werte als 37 Züge/Stunde ("Stresstest", "Gutachten", etc.) halten einer genaueren Überprüfung nicht Stand [Informationen hierzu auf der Seite der kritischen Ingenieure22]. Sehr wichtig zu erwähnen ist, das die maximale Leistungsfähigkeit des heutigen Stuttgarter Hauptbahnhofs im Vorfeld niemals ermittelt wurden.

So erbrachte ein endlich veranlasstes Gutachten der Nahverkehrsgeselschaft Baden-Württmberg aus dem Jahre 2011 ein maximale Leistungsfähigkeit von 50 Zügen/Stunde, die soagr noch zu steigern ist. 32 bzw.29 Züge/Stunde für eine milliardenschweren Neubau - gegen 50 Züge/Stunde im Ist-Zustand sind also als realer Ausgangszustand für eine weitere Planung zu betrachten.

Ein Taktfahrplan, bei dem Regionalzüge abgestimmt auf Fernzüge warten, ist im geplannten Tiefbahnhof mit seinem absehbar chaotischen, verspätungsaufbauenden Schnelldurchlauf auf einem Niedrigen und nicht erhöhbaren Niveau für immer unmöglich - und der vermeintlich Gewinn für wenig Durchfahrende geht verpassten Anschlüssen und statistisch längeren Wartezeit pro Fahrgast einher. Außerdem gibt es noch fundierte Hinweise geringerem Komforts und deutlich höheren Energieverbrauchs im geplanten engen und rolltreppenbestückten Tiefbahnhofes mit seinen anschließenden Steigungsstrecken ... und , und ..... [genaue Informationen hierzu bei den Ingenieuren22].

Auch gibt es für die Fahrt in die Kleinstadt Ulm durch Stuttgart 21 weder einen Zeitgewinn, noch ist für die Bewohner des Großraumes Stuttgart garantiert, das man irgendeinen Flieger oder Messertermin schneller erreicht [Informationen des Schutzgemeinschaft Filder LINK]. Schon heute könnte (quasi umsonst) aber eine Express-S-Bahn zu Flughafen organisiert werden, die nur 18 Minuten brauchen würde -aber eigentlich wollen die meisten Stuttgarter und Pendler nicht zum Flughafen, sondern vor allem pünktlich und entspannt von und zur Arbeit oder sonstwohin [Webseite von S-BAHN-CHAOS LINK].

Noch ohne den Miteinbezug der Gefährdung der einmaligen Stuttgarter Mineralquellen steht das Verhältnis vom "Nutzen" von Stuttgrat 21 zum geologischen Risiko in keinerlei vernünftigen Verhältnis.

Übertragen auf die Geothermie würde es niemand riskieren für den Neubau eines kleineren Haus in einem Wasserschutzgebiet, das mehr Energie braucht, ein denkmalgeschützes abzureisen und zusätzlichnoch mehrere kilometerlange Geothermiebohrungen in den Gipskeuper zu machen. Zum einen schon allein aus wirtschaftlichen Gründen - und weil die Behörden so etwas normalerweise niemals genehmigen würden. Bei Stuttgart 21 gelten ganz offensichtlich andere Regeln - aber das Risiko tragen hier die Stuttgarter, Steuerzahler und die Natur!

Je mehr und je länger Tunnel im quellfähigen Gispkeuper verlaufen desto höher das Risiko. Wie gesagt, ungefähr 80% aller Gipskeupertunnel machen Probleme. Es ist also grundsätzlich am besten, Tunnelbauwerke im Gipskeuper zu vermeiden.

Welche Risiken und Probleme können bei Bau von Tunnel in Gipskeuper auftreten:

Das größte Problem sind unkontrollierte oder unerkannte Wasserzutritte durch die Baumaßnahme, die Anhydritbereichen Wasser zuführen und so zur Quellung des Minerals um 60 Vol% zu Gips führen können

Hier ist vor allem die sog. "Längsläufigkeit" von Tunnel zu nennen, bei der der neue Tunnel bzw. die auggelockerte Gesteinsbereich ringsrum neue Wasserwegsamkeiten schafft, die Wasser von außerhalb entlang der Tunnelröhre quellfähigen Anhydritbereichen zuführt. Dies macht es zum Beispiel zum notwendigen Standard Tunnel mit geneigter Achse von unten nach oben zu bohren.

Viel heimtückischer noch ist das Risiko von geologischen Störungen [Erläuterung auf Wikipedia], also durchgehenden Rissen durch das gesamte "Gesteinspaket". Durch die Auflockerung und Erschütterungen können quasi neue Wasserwegssamkeiten geschaffen werden, die dann den Anhydrit zu quellen bringen. Ein reales Beispiel hierfür ist der Engelbergtunnel bei Leonberg [Artikel in den Stuttgarter Nachrichten] bei dem sich seit Jahren deutliche und anhaltende Schäden an der extrem massiven Tunnelwandung zeigen. Über die gesamten geologischen Hintergründe auf den lediglich 440 m "Anhydritstrecke" ist man sich jedoch bis heute immer noch nicht im Klaren. Hierzumindest kann der Verkehr, wenn auch sehr zäh, auf eine Röhre zusammengelegt werden.

Neben den Problemen und Schäden an den Verkehrswegen ist das Risiko von Hebungen, die sich bis zur Oberfläche erstrecken können,  natürlich nicht zu unterschätzen. Allein über dem eher loker bebauten Engelbergtunnel weisen ca. 100 Häuser Schäden auf - 2 mussten (eher stillschweigend) abgerissen werden. In Staufen (bis heute max. 54 cm Hebung) musten qauch schon mehrer Häuser abgerissen werden, 270 sind beschädigt.

Beim Engelberg liegt der "Quellbereich" in ca. 60 m - in Staufen sind die Quellvorgänge in bis zu 100 m Tiefe lokalisiert. Eine vermeintlich "dicken" und schützernden "Gesteinsdeckel" gibt es also in der Regel nicht.

So stellt das Landesforschungszentrum für Geothermie in Karlsruhe im Jahre 2012 in "Antworten zur Fragen der Tiefengeothermie" auf S.17 unmißverständlich fest:

"Die Beobachtung des Aufquellens war bei oberflächennahen Geothermiebohrungen(Staufen) aufgetreten.In Staufen ist die Beschädigung der Häuser deshalb so groß, weil sich a) die quellfähigen Horizonte in geringer Tiefebefinden. Der Gebirgsbereich, der die Quellhebung verursacht, liegt in einer Tiefe zwischen 61,5 m und 99,5 m unter der Geländeoberfläche (LGRB, 2010), und b) diese Höhenänderung aufgrund der Heterogenität der Quellung lateral stark variieren. Insbesondere wegen dieser ungleichmäßigen Hebungen und damit verbundener lateraler Bewegungen, kam es zu den Schäden in Staufen. Sollten in größerer Tiefe quellfähige Horizonte angetroffen werden, so können sie durch dasGewicht des überlagernden Gesteins beim Überschreiten des Quelldruckes nicht aufquellen. So kann die Gipskeuper-Quellung in Tiefen > 1km nicht auftreten (Bsp.: I.d.Regel liegt der maximale Quelldruck bei 4.4 MPa, dasentspricht bei einer Gesteinsdichte von 2.1g/cm³ dem lithostatischen Druck einer Tiefe von ca. 214 m, lokal können aufgrund der Heterogenität des Quellhorizonts auch fast doppelt so hohe Werte auftreten, die zu Horizontal und Vertikalbewegungen führen können, solange die Schichten in Tiefen geringer als 400 m liegen."

Tunnel im Gispkeuper sind also generell ein Risiko, und das mit zunehmender Länge und Häufigkeit. Und das gilt inbesondere für die fast unglaublichen 16 km Tunnelstrecke im Gipskeuper (von isngesamtnoch unglaublicheren 60 km (!!) Tunnel für einen sehr zweifelhaften milliardenteueren Bahnhofs-Neubau [siehe oben - und LINK zu den Ingenieuren22]  unter dem sehr dichtbesiedelten Innenbereich einer Großstadt.

Von Quellhebungen über dem geplanten Fildertunnel, den Tunnel nach Feuerbach und dem Tunnel nach Untertürkheim  gefährdet sind insbesondere unzählige Anwohner des Innenstadt (Kernerviertel, Ameisenberg, Mönchshalde) Stuttgart Ost und von Stuttgart Nord.

 

Das Bohrloch 203

Über die Bohrungen für Stuttgart 21 im Bezug auf Anzahl, Zweck, Ausführung und der ermittelten Bohrdaten lassen sich meist nur Vermutungen anstellen, da die meisten Bohrdaten öffentlich leider nicht verfügbar sind. Einige Ergebnisse sind jedoch verfügbar, wie zum Beispiel die von Bohrloch 203 - einer problematischen Bohrung im Gipskeuper.

 

 

Nachtrag Juni 2012: Erklärung der Bürgerbeauftragten der Stadt Stuttgart für Stuttgart 21 vom 31.5.2011 [pdf].

 

Lage und Bohrdaten

Das Bohrloch 203 liegt am oberen Ende der Emil-Moltke-Staffel zwischen Wera- und Haußmannstraße in der Nähe der Jugendherberge.

Fotodokumentation

Die Bohrdaten

Geologische Analyse

Nach der geologischen Karte von Stuttgart setzt das Bohrloch 203 ungefähr an der Grenze zweier Schichteinheiten (sog. Formationen) ein:
der Gipskeuper-Formation (km1: k=Keuper, m=mittlerer Keuper, 1=erste Formation von unten) und
der Schilfsandstein-Formation (km2).

Die Bohrung wurde auf 312,66 m über NN noch im Schilfsandstein (km2) angesetzt und reicht 89 m tief (ca. 226 m über NN). Sie durchtäuft (durchbohrt) hierbei die Bochinger Bank direkt über den Grundgips-Schichten bei 83,60 m Tiefe. Von Bohrmeter 84,90 an bis zur Endteufe (=absolute Bohrtiefe) von 89 m durchtäuft die Bohrung die Grundgips-Schichten.

Bei der Bohrung kam es in verschiedenen Bohrphasen mehrmals zum Verlust der eingesetzten Spülflüssigkeit, die man beim Bohren zuführt. Mehr dazu: Missglückte Probebohrungen [pdf]

In welchem Niveau der Verlust der Bohrspülung - Bohrspülung [wikipedia] - zu beobachten war, ist aus den Bohrdaten nicht zu entnehmen! Weitere Infos zum Profil: Profil Bohrloch 203

Geologisch scheint klar, warum ein so immenser (und überraschender) Verlust des Bohrwassers aufgetreten ist.

Der Gipskeuper (km1) enthält vor allem in seinen mittleren und unteren Einheiten (Mittlerer und Unterer Gipskeuper) ursprünglich erhebliche Anteile an Anhydrit (CaS04). Dieser Anhydrit wird oberflächennah durch Kontakt mit Wasser in Gips (CaSO4 x 2H2o) umgewandelt. Dabei quillt der Gips um ca. 60 Vol%.

CaS04 (Anhydrit)+ 2H2O ---> [CaS04 x 2H2O] Gips

Gips wiederum wird durch das Grundwasser leicht gelöst und weg transportiert. So können z.T. große Hohlräume und Klüfte entstehen und übrig bleibt rötlich schmieriger, meist "entschichteter" Gips-Auslaugungsrest (kurz GAR genannt).

Häufig genannte Fachbegriffe:

  • Ausgelaugter Gipskeuper
    Der Tiefenbereich im geologischen Untergrund, bis zu dem der gesamte Gips weg gelöst wurde, nennt man ausgelaugt.
  • Gipsspiegel
    Die oft sehr unregelmäßige Grenze zwischen ausgelaugtem und unausgelaugtem Gipsgestein nennt man Gips-Spiegel.
  • Anhydritspiegel
    Die Grenze zwischen Gipsgestein und ursprünglichem Anhydritgestein nennt man Anhydritspiegel.

Die Tiefe der einzelnen "Spiegel" ändert sich örtlich, je nach Geländemorphologie und Wasserführung, und ist daher örtlich sehr schwer eindeutig abzuschätzen.

Ein Auszug aus Alter und Entwicklung des Gipskarsts im Stadtgebiet Stuttgart [pdf]
aus dem "Laichinger Höhlenfreund" 41, 2006:

"Am Hangfuß stehen in den Grundgipsschichten oftmals noch Gipsbänke an, in denen ein reifer Sulfatkarst entwickelt ist. Von hier aus steigt die Gipsauslaugungsfront in den Keuperhängen steil an und hält zur Hangoberfläche einen Abstand von 15 bis 20 m, teilweise auch von bis zu 80 m. Es entsteht talseits eine ausgelaugte Talrandzone. In etwa parallel zur aktuellen Auslaugungszone – aber mit einem weiteren Flurabstand von 20 bis 50 m – folgt bergwärts der Anhydritspiegel. In Bereichen, wo der Gipskeuper noch mit Schilfsandstein bedeckt ist, verläuft der Gipsspiegel im Mittleren Gipshorizont oder in den Estherienschichten, also etwa 25 bis 30 m unter der Dachfläche des Gipskeupers. Hier besteht zum Anhydritspiegel noch ein markanter Abstand von bis zu 20 m. Bei weiterer Überdeckung mit Bunten Mergeln, Kieselsandstein- und Stubensandsteinschichten sind Anhydrit- und Gipsspiegel bis auf wenige Meter Abstand identisch. Sie verlaufen knapp unter der Gipskeuperoberfläche in einem vollständig unausgelaugten Gebirge."

Die Verhältnisse sind einfach sehr wechselhaft! Genauere Auskünfte können nur durch ein sehr enges Bohrraster gemacht werden, aber auch dieses schützt vor geologischen Überraschungen nie hundertprozentig.

Erklärung für den starken Bohrwasserverlust 

Die Bohrung erreichte rasch die Schichten des Gipskeupers (km1). Dort traf die Bohrung auf ein im Untergrund vorhandenes zusammenhängendes Hohlräumsystem in den lösungsanfälligen gipshaltigen Gesteinen. Man bezeichnet dieses Phänomen allgemein als Subrosion oder oder "Gipskarst" [wikipedia].. Die Hohlräume sind hier am Hang des Ameisenberges nicht isoliert, sondern bilden hier offenbar ein durchgehendes, wasserleitfähiges System von Hohlräumen, das genug Kapazität hatte, die eingesetzte Bohrflüssigkeit abzuführen und eventuell auch durch vertikale Kluftbildung am Steilhang begünstigt wird. Bei der Jugendherberge Stuttgart hat dieses Hohlraumsystem einen direkten Kontakt zur Oberfläche und das Wasser konnte wie bei einer Quelle,  evtl. über einem Stauhorizont ausfließen! Da die Jugendherberge nur ca. 10-25 m tiefer liegt als der Ansatzpunkt der Bohrung, ist der Spülwasserverlust wohl den oberen Bohrmetern zuzuordnen. Um die unkontrollierte Wasserführung am rutschungsgefährdeten Steilhang nicht weiter zu begünstigen, wurde das Bohrloch anschließend wasserdicht mit Beton verfüllt . Nach Berichten von Anwohnern rollten die Betonmischer mehrere Tage ununterbrochen an!

 

Artikel in der Stuttgarter Zeitung

Diese Art von Gipskarst ist typisch für den Stuttgarter Untergrund im Bereich des Gipskeupers.

Zu bemerken ist noch, dass jede Bohrung in den Anhydrit auch die Gefahr von Wasserzutritt und Quellung in selbigem ermöglicht. Das bedeutet kurz gesagt, dass es an den Erkundungsbohrungen entlang der Tunnelstrecken, dort wo Anhydrit erbohrt wurde, früher oder später zur Quellung und den damit oft verbundenen Bodenhebungen kommen könnte. Ein interessanter Link zum Thema führt nach Staufen im Breisgau. Schadensfall Staufen [pdf] 4,3 MB

Probleme in Stuttgart gab es bereits auch:

Kernzone

Überlagerung von geologischer Karte (aus: Untersuchungen zur Umwelt, Heft 3, Amt für Umweltschutz der Stadt Stuttgart - Stuttgart 21) und der Kernzonenabgrenzung (rote Umrahmung).
gestrichelte schwarze Linien: vermutete Verwerfungen (Risse durch alle Gesteinsschichten)
rote Fläche: Kernzonen-Abgrenzung
grau umrandet: geplante Baugruben
zusätzlich: Lage Bohrloch 203 in Bereich von Verwerfung

Es geht aus den Bohrdaten nicht klar hervor, ob der Anhydritspiegel bereits durchbohrt wurde, da man Gips und Anhydrit mit bloßem Auge bei der Bohrkernaufnahme nicht unterscheiden kann. Die Vermutung, dass man bei Bohrung 203 eventuell schon im Anhydrit war, ist durch die große Endtiefe von 89 m und der Überdeckung durch Schilfsandstein durchaus denkbar. Aber es könnte sich bei den angebohrten obersten Bereichen der Grundgipsschichten jedoch auch um Gips handeln.

Für den Spülverlust (unkontrolliertes, unterirdisches Abfließen der Bohrspülung) bei Bohrloch 203 ist folgendes geologisch denkbar:

Beim Vorhandensein von Gips in den Schichten des Gipskeupers ist der Spülverlust aufgrund eines wasserabführenden, zusammenhängenden Hohlraumsystems im Gipskeuper durch Subrosion wahrscheinlich (siehe oben). Das Wasser, dass die Hohlräume einst "weggelöst" hatte, stammt von oben aus den höheren Schichten und den Niederschlägen oder ist seitlich zugeströmt.

Neben der Subrosion könnten jedoch noch zusätzliche geologische Erscheinungen im Untergrund eine weitere größere Rolle spielen.

Nach der geologischen Karte (siehe Abbildung unten) und nach der geologischen Karte des ehemaligen Landesamtes für Geologie ist es sehr wahrscheinlich, dass der Ansatzpunkt der Bohrung 203 im Bereich einer Verwerfungszone liegt (Abbildung oben und unten). Dies bedeutet, dass dort die Gesteinsschichten tiefgründig durch alle Schichten hindurch "zerrissen" (Geologen sagen: gestört) und damit besonders brüchig sind. Diese Brüchigkeit begünstigt die Verwitterung und somit den Zutritt und das Fließen von Wasser im Untergrund und damit auch die Subrosion. Ergebnis ist ein aufgelockerter Untergrund mit vielen Hohlräumen in löslichen Gesteinen wie Gips- und Kalkstein, der, wie in diesem Fall die rasche Abführung der Bohrspülung ermöglicht. Dies wird auch durch die Tatsache bekräftigt, dass im oberflächennahen, ausgelaugten Gipskeuper eigentlich keine Subrosion mehr stattfindet, aber trotzdem noch Hohlräume vorhanden sind.

Diese Verwerfung lässt sich übrigens über das geplante Portal der Fildertunnels bis zum Mittleren Schlosspark verfolgen und stellt auch hier einen tief in den Hang reichenden, potentiell undichten Bereich im Untergrund dar.

Auch der oft erwähnte "Wassereinbruch" beim Bau der Haltestelle Staatsgalerie (zu dem ich jedoch über keinerlei Quellen verfüge!) wäre damit einigermaßen plausibel erklärbar, denn die Haltestelle Staatsgalerie liegt im weiteren Bereich dieser Störungszone.

Auch der tiefste Bereich des geplanten Eingriffs für Stuttgart 21, der Nesenbachdüker, liegt genau in diesem Bereich!

roter Pfeil weist auf die Störungszone (gestrichelt)
Vorlage: Geologische Karte Stuttgart

Bohrlöcher

Zur Erkundung des Untergrunds stehen Bohrungen noch vor Beginn jeden größeren Bauprojekts. Sie sind auch die Vorraussetzung für die Gewinnung von Wärmeenergie aus dem tieferen geologischen Untergrund (Geothermie -[LINK zu Wikipedia]).

Geothermie als regenerative Ernergiequelle ist an sich eine saubere, nahezu unerschöpfliche und allgegenwärtige Energieform. Doch insbesondere in quellfähigen Gesteinen wie z.B. dem "Gipskeuper"  (LINK zu Wikipedia) können (und sind)  bei unsachgemäßer Erkundung und Ausführung erhebliche Risiken durch Quellprozesse von Anydrit ("wasserfreier Gips")im Untergrund auftreten (aufgetreten). Das Risiko ist vielfältig und trotz sachgerechter Ausführung und genauer Vorerkundung nicht ganz auszuschließen.

Dr. Ralf Laternser - Diplom-Geologe - Stuttgart